poemata dilecta

Für alle Fragen rund um Latein in der Schule und im Alltag

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Beitragvon Apollonios » So 17. Jun 2007, 20:40

salvete amici,

dazu gibt es hier einen Aufsatz:

http://community.middlebury.edu/~harris ... .4.11.html
וָאֹמַר מִי־יִתֶּן־לִּי אֵבֶר כַּיּוֹנָה אָעוּפָה וְאֶשְׁכֹּנָה ׃
et dixi quis dabit mihi pinnas columbae ut volem et requiescam
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Beitragvon consus » So 17. Jun 2007, 20:57

!שלום לך Pax tecum, Apolloni!
Sekundärliteratur gibt’s wahrlich viel. Lesen wir aber das Original zunächst einmal ohne jeden philologischen Hintergedanken... in Erwartung einer einfühlsamen Übertragung. Ct 8, 6: Macte virtute!
Sit tibi semper bene!
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Beitragvon Apollonios » Fr 29. Jun 2007, 17:18

Nun, ich habs versucht - wobei mir wieder einmal die übermäßige Länge deutscher Wörter zu schaffen machte.

Mit Tränen nicht belaste,
Paullus, das Grab mir,
denn keinen Bitten öffnet
das schwarze Tor sich.

Der Tod ist nun gekommen -
Gesetz des Orcus -,
stählern weigert den Weg er
flehender Bitte.

Der Gott der düstern Halle
hört zwar dein Beten -
doch deine Tränen trinken
taube Gestade.

Gebete rühren Götter:
nahm Charon Münzen,
schließt er mit fahler Pforte
die Totenwiese.

Posaunen sangen traurig,
als jene grimme
Fackel unter dem Haupte
die Bahre wegfraß.

Was half mir die Ehe, was
der Katafalk, der Ahnen
Bildnis, was meines Ruhmes
Bürgen, die Kinder?

Davon nicht holder waren
Cornelias Parzen:
Ich bin ein Häuflein Asche,
fünf Finger bergens.
וָאֹמַר מִי־יִתֶּן־לִּי אֵבֶר כַּיּוֹנָה אָעוּפָה וְאֶשְׁכֹּנָה ׃
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Prop. 4, 11 und 3, 18

Beitragvon consus » Fr 29. Jun 2007, 17:52

Jetzt lese man, eingestimmt und angeregt durch Apollonios' Nachgestaltung des Gedichtanfangs, die Regina elegiarum weiter und lasse die hohe Kunst Properzens auf sich wirken. Man wird zu ganz persönlichen Erfahrungen jenseits der literaturwissenschaftlichen Analyse kommen. Darüber hinaus bietet sich der Vergleich mit Prop. 3, 18 an.
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Beitragvon Ketelhohn » Mo 2. Jul 2007, 22:02

Apollonios hat geschrieben:Nach diesen lieblichen Versen jetzt mal was ganz anderes. Das folgende düstere Gedicht …

So düster finde ich es gar nicht … siehe dies:
    qui salvandos salvas gratis
    salva me, fons pietatis.
    recordare, Iesu pie,
    quod sum causa tuæ viæ -
    ne me perdas illa die.
Die Furcht bleibt nicht das Bestimmende, die Hoffnung tritt herzu. – Doch entschuldigt, daß ich hinterherhinke: ich hab’s erst jetzt entdeckt. Und wie’s sich so trifft, hab’ ich vor vielen Jahren selber einmal das Dies iræ zu übersetzen versucht. Das will ich denn doch noch zum besten geben:
    Der Tag des Zornes, jener Tag,
    Wird die Welt zu Asche brennen:
    Des zeugt David mit Sibylla.

    Welch ein Beben wird da sein,
    Wenn der Richter steigt herab,
    Alles Ding gestreng zu sichten.

    Die Tuba streuet Wunderschall
    Ob den Gräbern allerwärts
    Und zwinget all' vor seinen Thron.

    Der Tod erstarrt und die Natur,
    Als da aufsteht das Geschöpf,
    Vor den Richter hinzutreten.

    Und das Buch wird vorgelegt,
    In welchem alles steht geschrieben,
    Wes die Welt gerichtet werde.

    Sitzt der Richter dann zu richten,
    Wird offenbar, was sich verbarg:
    Keines bleibet ungerächt.

    Ich Elender, was sag ich da?
    Welchen Fürsprech ruf ich an,
    Wo kaum die Heil'gen sicher sind?

    O König, dessen Hoheit zittern macht,
    Der du die Deinen gratis rettest,
    Errette mich, Quell des Erbarmens!

    O gedenke, Jesu mild,
    Bin der Grund doch deines Wegs:
    Vernicht' mich nicht an jenem Tag!

    Suchtest mich und saßest matt,
    Erlöstest mich, das Kreuz erleidend:
    Solche Not sei nicht vergebens.

    Gerechter Richter der Vergeltung,
    Gewähr mir als Geschenk Vergebung
    Vor dem Tag der Rechenschaft!

    Aufseufze ich als Angeklagter,
    Vor Schuld errötet mein Gesicht:
    Verschon des Fleh'nden, Gott!

    Der du Marien losgesprochen
    Und den Schächer hast erhört:
    Auch mir hast Hoffnung du geschenkt.

    Meine Bitten sind nicht würdig,
    Doch du, der Gute, wirk es gütig,
    Daß ich nicht im ew'gen Feuer brenne.

    Bei deinen Schafen gib mir Platz,
    Und von den Böcken wohl geschieden
    Stell mich auf die rechte Seite.

    Sind gebannt erst die Verfluchten,
    Den Höllenflammen Zugesagten,
    Dann ruf mich mit den Benedeiten.

    Ich bete flehend und gebeugt,
    Zerknirscht das Herz, der Asche gleich:
    Trag doch Sorge für mein Ende!

    O jener Tag, von Tränen reich,
    Wo aus der Asche aufersteht
    Der Mensch als Sünder zum Gericht!

    Schone also sein, o Gott,
    Herr Jesu reich an Gnade:
    Schenk ihnen deine Ruhe. Amen.
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Beitragvon Ketelhohn » Mo 2. Jul 2007, 23:12

Na, eins noch, wenn ich darf, von Philipp dem Kanzler:
    Vineam meam plantavi,
    Torcular solus calcavi.
         Vinea non reddidit
              Fructum quem speravi,
         Indumentum sanguine
              Meum inquinavi.

    Facturam meam amavi,
    Torcular solus calcavi.
         Quem ego creaveram,
              Ego recreavi,
         Indumentum sanguine
              Meum inquinavi.

    Qui mundi mala portavi,
    Torcular solus calcavi.
         Unda mei sanguinis
              Mundi culpas lavi,
         Indumentum sanguine
              Meum inquinavi.

    Acetum ego potavi,
    Torcular solus calcavi.
         Ego vitæ poculum
              Mundo præparavi,
         Indumentum sanguine
              Meum inquinavi.

    Flagella non recusavi,
    Torcular solus calcavi.
         Ego sponte subii
              Crucem quam expavi,
         Indumentum sanguine
              Meum inquinavi.

    Infernum expoliavi,
    Torcular solus calcavi.
         Qui ligabat hominem,
              Ego relegavi,
         Indumentum sanguine
              Meum inquinavi.
Und die Übersetzung:
    Ich pflanzte meinen Weinberg an,
    Die Kelter trat ich selbst allein.
         Der Weinberg brachte nicht
              Die Frucht, die ich erhoffte:
         Mein Gewand befleckte
              Ich mit Blut.

    Ich liebte meine Pflanzung wohl,
    Die Kelter trat ich selbst allein.
         Den ich selber hatt' erschaffen,
              den schuf ich selber neu:
         Mein Gewand befleckte
              Ich mit Blut.

    Der ich der Welten Übel trug,
    Die Kelter trat ich selbst allein.
         In meines Blutes Schwall
              Wusch ich ab die Schuld der Welt:
         Mein Gewand befleckte
              Ich mit Blut.

    Ich selber trank den Essig,
    Die Kelter trat ich selbst allein.
         Ich selber hab' der Welt
              Des Lebens Kelch bereitet:
         Mein Gewand befleckte
              Ich mit Blut.

    Den Geißeln bin ich nicht gewichen,
    Die Kelter trat ich selbst allein.
         Ich nahm aus freiem Willen
              Das Kreuz auf mich voll Furcht:
         Mein Gewand befleckte
              Ich mit Blut.

    Die Hölle hab' ich ausgeraubt,
    Die Kelter trat ich selbst allein.
         Der in Banden hielt den Menschen,
              Der ward von mir gestürzt:
         Mein Gewand befleckte
              Ich mit Blut.
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Beitragvon Sokrates Palaios » Di 10. Jul 2007, 11:33

Man sollte dieses Florilegium fortsetzen. Ich merke, dass man ein Gedicht viel intensiver betrachtet, sobald man versucht, wörtlich zu übertragen oder sogar Inhalt und Metrum dem Original anzugleichen. Es bleibt immerf nur bei Annäherungen. In "Latein, Muttersprache Europas" (Carl Vossen, Düsseldorf) habe ich eine Übersetzung des "Ecce gratum..." aus den Carmina Burana gefunden, die ich sehr bewundere, weil sogar Metrum und Endreime gut nachgeahmt sind. Eine schöne Nachdichtung, worunter natürlich die wörtliche Übertragung leiden muss. (übersetzt von L. Laistner):

Ecce gratum
et optatum
ver reducit gaudia.
purpuratum
floret pratum,
sol serenat omnia.
Iamiam cedant tristia!
aestas redit,
nunc recedit
hiemis saevitia.

Auf zu grüßen
Lenz, den süßen!
Freude hat er wiederbracht.
Blumen sprießen
auf den Wiesen
und die liebe Sonne lacht.
Nimmer sei des Leids gedacht!
Von dem jungen
Lenz bezwungen,
weicht des Winters grimme Macht.
οἶδα οὐκ εἰδώς
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C. F. Meyer: Die Füße im Feuer

Beitragvon consus » Di 10. Jul 2007, 12:05

Was Sokrates Palaios sagt, amici carissimi, gilt auch für die Übersetzung von Gedichten ins Lateinische. So sei hier mein Versuch einer lateinischen Prosanachgestaltung von Conrad Ferdinand Meyers Ballade „Die Füße im Feuer“ vorgestellt. Dabei möchte ich es keinesfalls versäumen, auf eine metrische Teilübersetzung aus Tiberis’ Feder im Forum Latine Loquendi (de carminibus componendis, 10.11.2006) hinzuweisen.

*******************************************************
DE PEDIBUS IN IGNEM ADACTIS

Vehementer vibrant fulmina. Lurida in luce stat turris.
Devolvitur tonitrus ingens. Ecce eques equum refrenat,
desilit, pulsat portam, clamitat – sagum sinuatur
vento –, loro retinet equum consternatum.
Per fenestellam clatratam aureum se fundit lumen,
crepantemque nunc recludit portam vir nobilis...

„Servus sum regis, nuntius missus
Nemausum. Tecto me recipe! Regio me agnoscis vestimento.“

„Saevit ventus. Hospitio te excipio. Vestimentum nihil ad rem!
Ingredere teque refove! Equus mihi erit curae.“

Intrat eques atrium obscurum plenumque imaginum maiorum,
modica ampli foci luce collustratum,
et prout flammae tremulae commutantur,
oculos minaces hinc demittit vir Calvinianus loricatus, illinc femina,
femina generosa ac nobilis ex imagine obscura...
Eques in sella se abicit ante focum posita
attenteque vividam inspicit vim flammarum. Cogitat, spectat...
sensim arriguntur comae. Novit focum, atrium...
Strident flammae. Duo micant in igne pedes.

Mensam cibis vespertinis exstruit ancilla anus,
linteo candidissimo coopertam. Adest virgo nobilis.
Puer urceum attulit vini plenum. Attoniti ambo
et hospitem intuentur et focum, pavore exanimati...
Strident flammae. Duo micant in igne pedes.
„O rem exsecrandam! Idem insigne! Idem atrium!
Tribus ante annis... Cum Calvinianos consectarer...
Femina nobilis, contumax... ‚Quo loco dominus est? Loquere!’
Tacet. ‚Fatere!’ Tacet. ‚Trade eum!’ Tacet.
Efferor. Quanta pertinacia est! Rapio eam...
Pedes nudos arripio alteque adigo
medium in ignem... ‚Trade eum!’ ... Tacet...
Se curvat... Nonne insigne vidisti portae affixum?
Quis te hic iussit deversari, stultissime?
Ille si ingenui quid sanguinis habet, te interficiet.“
Intrat dominus. „Somnias! Ad cenam te voco, hospes...“

Assederunt: tres illi sordidati
et hospes. Neque vero puer neque virgo ante cenam deum invocat:
stupentes defigunt oculos in illius vultu –
is calicem complet perfunditque, vinum celerrime sorbet,
exsilit: „Nunc mihi monstra, domine, cubiculum!
Defessus sum ut canis!“ Famulus lucernam hospiti praefert,
qui autem in limine respicit
puerumque videt aliquid patri insusurrare in aures...
Famulum titubans sequitur in turrim...

Firmiter obserat fores. Pistolium probat gladiumque.
Saeva stridet procella, tremit solum, tectum gemit,
scalae crepant... Nonne hic certo inceditur gradu? Nonne illic suspenso?...
Fallunt eum aures. Transit media nox.
Palpebrae velut plumbo onerantur: obdormiscens
in lectum delabitur. Foris imbres effunduntur assidui.

Somniat. ‚Fatere!’ Tacet. ‚Trade eum!’ Tacet.
Rapit feminam. Duo micant in igne pedes.
Exaestuat strepitus vasti incendii, quo absumitur...
„Expergiscere! Iam dudum hinc te abire oportebat! Lucescit!“
Per aditum obscurum cubiculum ingressus
ecce ante hospitis lectum turris dominus – cano nunc capite,
cui capillus modo fuscus erat ac crispus.

Equitant per silvam. Silent nunc venti.
Diffissis strata callis est ramis turbine abruptis.
Matutinae fritinniunt aviculae, somniantium similes.
Quietae vehuntur nubes per caelum serenum,
veluti si angeli nocturnis actis vigiliis reverterentur.
Glaebae nigrae terreno vigent spiritu.
Patescit planities. Ager aratur.
Eques ex oculorum angulis furtim spectat: „Domine,
vir vere es prudens atque consideratus:
nosti servum me esse amplissimi regis.
Vale! Posthac te non videbo!“ Alter contra:
„Vere loqueris, servum amplissimi regis! Cui hodie
non facile inservivi... Nefaria caede mihi interemisti
uxorem! Tu tamen vivis! ... Mea est ultio, dicit Deus.“
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Beitragvon Tiberis » Di 10. Jul 2007, 14:24

das ist kein versuch einer nachgestaltung, lieber Consus, das ist eine großartige übersetzung eines großartigen gedichts !
so sollte es klingen, so muß es sein. perfectissime ! :klatsch:
quantum lucri est te in forum nostrum descendisse !!!
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Beitragvon Apollonios » Do 12. Jul 2007, 17:09

Hier mal wieder etwas Lustiges - für alle, die sich gerade über jemanden ärgern, besonders geeignet. (Übrigens bin ich bei der Übersetzungsarbeit, schon eine Weile her, auf den Lateinchat und dann auf dieses Forum gekommen.)
Walter Map (* um 1140; zwischen 1208 und 1210) wird das folgende Gedicht zugeschrieben.
Ein leider nicht übertragbarer Witz ist, daß pileum nicht nur Hut, sondern im mittelalterlichen Sprachgebrauch auch Bischofsmitra heißt. Map mokierte sich über die Unsitte einiger Bischöfe seiner Zeit, allzu schnell härteste Kirchenstrafen zu verhängen. Möglich ist auch, daß er einen realen Fall vor Augen hatte, in dem jemand am Stuhl eines Bischofs gesägt - oder dies zumindest versucht hatte.
Dies Gedicht lebt so sehr vom Reim, daß ich nicht ganz auf ein Reimschema verzichtet habe. Da nun einmal die deutsche Sprache weniger reimfreudig ist als die lateinische, habe ich das Schema den sprachlichen Gegebenheiten angepaßt und //:w-a-w-a:// zu w-a-w-a-w-b-w-b umgewandelt.

Raptor mei pilei
Morte moriatur,
Mors sit subitanea
Nec prevideatur,
Et pena continua
Post mortem sequatur,
Nec campis Elysiis
Post Lethen fruatur!

Raptor mei pilei
Seva morte cadat,
Illum febris, scabies
Et tabes invadat,
Hunc de libro Dominus
Vite sue radat,
Hunc tormentis Eacus
Cruciandum tradat!

Eius vita brevis sit
Pessimusque finis,
Nec vivat feliciter
His diebus binis,
Laceret hunc Cerberus
Dentibus caninis,
Laceratum gravius
Torqueat Erinys!

Excommunicatus sit
Agro vel in tecto,
Nullus eum videat
Lumine directo,
Solus semper sedeat
Similis deiecto,
Hinc penis Tartareis
Cruciet Alecto!

Hoc si quis audierit
Excommunicamen
Et non observaverit
Presulis examen,
Nisi resipuerit
Corrigens peccamen,
Anathema fuerit,
Fiat, fiat! Amen.

zu Deutsch:

Der mir meinen Hut geklaut
sei dem Tod verfallen,
unversehens soll der Tod
jählings in befallen,
ewge Strafe folge dann
seinem Tod hinieden,
hinter Lethe sei ihm kein
Paradies beschieden!

Der mir meinen Hut geklaut
fall durch böses Sterben,
Fieber soll und Räude ihn,
Pest soll ihn verderben,
und es streiche ihn der Herr
aus dem Lebensbuche,
daß ihm endlich Æacus
Henkersqualen suche!

Kurz sei seines Lebens Bahn,
endend voller Grauen,
nicht zwei Tage soll er hier
Lebens Glück erschauen.
Cerberus zerreiße ihn
mit den Hundefängen,
den Zerrissnen härter noch
die Erynnien drängen!

Auf dem Land wie in der Stadt
sei er ausgeschlossen
niemand blick ins Auge ihm
grad und unverdrossen,
gleich Verworfnen sitze er
einsam an der Seite,
bis Alecto endlich ihm
Höllenqual bereite!

Alle, denen zu Gehör
dieser Bann gekommen -
und die unsers Bischofs Wort
folgen nicht, des frommen,
ferner Sünden nicht bereun,
nicht zur Beichte kamen,
seien ebenso verflucht,
ja, so sei es! Amen.
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Beitragvon Tiberis » Fr 13. Jul 2007, 00:49

salvete !

motiviert durch Consus' exzellente übersetzung der C.F.Meyer- ballade (s.o.) möchte ich an einem kurzen, aber wunderschönen gedicht Goethes zeigen, worauf es mir bei einer übertragung ins lateinische besonders ankommt:
grundsätzlich gibt es zwei möglichkeiten: a) die (prosa)übersetzung - diesen weg hat Consus auf vorbildliche art beschritten - , und b) die nachdichtung.
hier wird man wohl oder übel kompromisse zu lasten der wörtlichen übersetzung machen müssen. andererseits bietet sich durch die wahl eines geeigneten versmaßes die möglichkeit, stimmung und atmosphäre eines gedichtes intensiver wiederzugeben, als es in prosa vielleicht möglich ist, und so das manko der mangelnden übersetzungsgenauigkeit zumindest wettzumachen.
inwieweit mir das an dem erwähnten Goethe-gedicht gelungen ist, stelle ich eurer beurteilung anheim. :)

über allen gipfeln ist ruh.
in allen wipfeln spürest du kaum einen hauch.
die vögelein schweigen im walde.
warte nur, balde
ruhest du auch.

meine übersetzung (sapphische strophe):

montium cacumina sunt quieta,
culmina arborum movet aura nulla
conticentque aves nemoris. brevique et
tu requiesces.

optime valete!
ego sum medio quem flumine cernis,
stringentem ripas et pinguia culta secantem,
caeruleus Thybris, caelo gratissimus amnis
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Beitragvon Apollonios » Fr 13. Jul 2007, 11:00

Das klingt sehr schön - und ist, wie ich nach mehrmaligem Rezitieren empfinde, dem Original wunderbar nachempfunden.
Ein Gedicht lebt ja immer auch vom Klang - und hier stellt sich für den Übersetzer eine Hauptschwierigkeit: Sprachen klingen nun einmal verschieden, und man wird niemals eine "Kopie" des Klanges erreichen. Da ist es sinnvoll, in der Sprache der Übersetzung nach einem von Inhalt und Stimmung her passenden Klangmuster zu suchen, was Dir, o Tiberis, trefflich gelungen ist.
Consus hat in seiner Prosa-Übertragung ja keineswegs auf Klang, auf Melodie der Sprache "verzichtet" - das macht sie so hervorragend. Es ist eine "lyrische Prosa", in der man das Gedicht wiederfindet. Dank Euch beiden!
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De Goethe Latino

Beitragvon consus » Sa 14. Jul 2007, 00:47

Tiberi amico suo ingeniosissimo s. p. d. Consus.
Equidem obstupefactus sum, praestantissime mi amice; pretiosissimum enim illud carmen, non solum quod ad numeros, sed etiam quod ad verborum vim sententiamque pertinet, tanta tu subtilitate tantaque elegantia Latine reddidisti, ut Goethe, si opusculum tuum cognosset, eandem tibi fere laudem tributurum fuisse putem, qua Benjamin Theophilus Piscator (id est Benjamin Gottlieb Fischer), cum „Arminium et Theodoram“ excellentissime in Latinum convertisset, iure meritoque ornatus est: cf. (1) hoc forum > Goethe Latinus > consus: 17. Apr. 2007; (2) Goethe, Hamburger Ausgabe, Band II, 7. Aufl., Hamburg 1965, S. 678. Sit tibi semper bene!

-------------------------------
Quod ad Goethe Latinum attinet, hanc quoque inspici licet paginam:
http://www.pantoia.de/Goethe/carminaXgoethii.pdf
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Beitragvon Sokrates Palaios » Sa 14. Jul 2007, 09:46

Vehementer admiror carmina a Conso Tiberique conversa.
Goethe Latinus in der Sapphischen Strophe von Tiberis habe ich eben unter dem Titel "Viatoris Carmen Nocturnum" meiner Goethe-Ausgabe hinzugefügt. Die Sapphische Strophe erkennt man natürlich erst nach mehrmaligem Rezitieren. Für viele im Forum wären Betonungszeichen sicher eine Hilfe.
Fortiter agite ad infinitum!
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"Über allen Gipfeln..."

Beitragvon consus » Sa 14. Jul 2007, 11:09

Salvete, amici carissimi!

Sokrates Palaios folgend, werde auch ich Tiberis’ kongeniale Übertragung in meiner Goetheausgabe aufbewahren; denn ich sehe in ihr ein bewundernswertes Dokument des einem Übersetzer größtmöglichen Respekts vor einem Originaltext. Damit habe ich in meiner Sammlung nun schon zwei lateinische Versionen jener poetischen Zimelie. Die andere mir bekannte Übersetzung stammt von einem gewissen F. K. Hultgren, erschienen 1907 in einem Buch, das ich vor einiger Zeit antiquarisch erwarb (vgl. Forum Latine Loquendi > de arte musica > consus, 07.09.2006):

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Per cacumina
Senties
Vix halitum;
Aviculae silent in fronde,
Et tu mox sponte
Quiesces deûm.
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