Staatsexamen "Metamorphosen der sexuellen Gewalt"

Fragen zur Ausbildung rund um die alten Sprachen, ihrer Geschichte und ihrer Archäologie

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Re: Staatsexamen "Metamorphosen der sexuellen Gewalt"

Beitragvon Tiberis » Fr 29. Jan 2021, 19:34

mystica hat geschrieben:Es ist richtig, dass wir bei der Bewertung der 68. Studentenrevolte unterschiedliche politische Ansichten haben. Deine Ansichten empfinde ich offen gesagt, als sehr undifferenziert und polemisch

undifferenziert? Mag sein. Jede Revolution hat zweifellos ihre Ursachen und tritt mit dem Ziel an, Missstände und Ungerechtigkeiten zu beseitigen . Aber es ist wohl legitim, die Frage nach der Kosten-Nutzen- Rechnung zu stellen. Nicht selten endet eine Revolution, die sich "Befreiung" (wovon auch immer) auf die Fahnen geschrieben hat, in der Unfreiheit aller, und das auch noch oft unter In-Kauf-Nahme unzähliger Menschenleben. Gut, letzteres hat die 68er- Revolte zum Glück nicht zu verantworten, die Folgeschäden sind dennoch gleichsam verheerend wie unabsehbar.
Im Gegensatz zu dir habe ich die damaligen Geschehnisse hautnah miterlebt und weiß also, wovon ich spreche. Die "ideologiekritischen" Werke jener "geistigen Väter", die du aufzählst, haben im übrigen mit Sicherheit die wenigsten der damaligen Randalierer tatsächlich gelesen, sonst hätten sie sich zu allererst mit ihrer eigenen Ideologie kritisch auseinandersetzen müssen. Nein, ihre wahren Vorbilder waren Ikonen des Totalitarismus, und allein das lässt schon erkennen, wohin die Reise ging. Mag sein, dass die Gesellschaft vorübergehend tatsächlich freier wurde, aber diese vorübergehende Befreiung hat sich mittlerweile ins Gegenteil verkehrt, die angerichteten Langzeitschäden sind evident.
mystica hat geschrieben:Auch der Protest "Fridays for Future", der durch die Ikone Greta Thunberg ins Leben gerufen wurde, hat meiner Generation neue Hoffnung auf dringend notwendige gesellschaftliche Veränderungen in Bezug auf den Klimawandel gegeben, wofür ich sehr dankbar bin

Dieser Protest, der in Wahrheit nichts anderes ist als eine kollektive Hysterie, zeigt wieder einmal in erschreckendem Maße, wie leicht Jugendliche zu manipulieren sind. Man braucht dazu nichts anderes als eine positiv klingende Losung ("Für unsere Zukunft" ! "Für mehr Gerechtigkeit!" usw.) und einen passenden Leithammel, und schon geht die Post ab, egal ob für "Führer, Volk und Vaterland", für den "Sieg des Sozialismus" oder eben gegen den Klimawandel zu Felde gezogen wird. Kaum jemand der Greta- Anbeter hat sich jemals ernsthaft mit Klimatologie befasst, sonst wüsste er/sie vielleicht, dass die "menschengemachten" CO2-Emissionen tatsächlich nur sehr wenig zur aktuellen Klimaerwärmung beitragen. Aber da auch hier, wie so oft, die Zusammenhänge sehr komplex sind, ist es naturgemäß einfacher, sich auf einen Alleinschuldigen zu fokussieren, und das ist dann, je nach Ideologie, "der Jude", "der Kapitalist" oder im konkreten Fall eben das CO2.
mystica hat geschrieben:empfinde ich es verwerflich, wenn Du rechtsextreme Gesinnungen, die ich erwähnt hatte, als "rechtskonservative Kräfte" verharmlost. Leider nämlich ist de facto heutzutage eine sehr besorgniserregende Entwicklung des Antisemitismus, Rassismus und rechtsextremistischen Denken in weiten Teilen der Gesellschaft zu beobachten, die nicht zu leugnen ist. Diese antidemokratischen Kräfte sitzen heutzutage sogar schon in Parlamenten

Ich weiß wirklich nicht, von welchen "antidemokratischen" Kräften du da redest. Im österreichischen Parlament kenne ich jedenfalls niemanden, der sich zu Antisemitismus, Rassismus oder Extremismus bekennt. Ich würde dich ersuchen, dich klarer auszudrücken.
Dass Antisemitismus und Rassismus abzulehnen sind, steht ja außer Streit. Außer ein paar Wirrköpfen wird sich niemand, der bei klarem Verstand ist, eine Neuauflage der Nazidiktatur herbeisehnen. Das Problem ist: Gewisse ultralinke Kreise brauchen solche Feindbilder zur eigenen Legitimation, um sich als stramme Widerstandskämpfer gegen böse Faschisten und Rassisten profilieren zu können. Je weniger tatsächliche Nazis es gibt, desto intensiver wird der Kampf gegen den Faschismus geführt, je multikultureller die Gesellschaft ist, desto mehr ist von Rassismus die Rede usw. Spencer's law* gilt im übrigen genauso für die Feministinnen: je gleichberechtigter die Frauen sind, desto mehr wird gegen ihre vermeintliche Benachteiligung agitiert.
mystica hat geschrieben:Es gibt einen Wertekonsens aller aufrichtigen Demokraten, rechtsextreme Gesinnungen jeglicher Couleur zu ächten und diesen Leuten kein öffentliches Forum für Antisemitismus, Rassismus, Diskriminierung von Minderheiten, Sexismus, Genderphobie und Nationalismus zu bieten.

Könntest du freundlicherweise definieren, was du unter "rechtsextremer Gesinnung" verstehst? Politischer Extremismus - und der liegt nach meinem Verständnis dann vor, wenn die freiheitliche Demokratie in Frage gestellt wird - ist selbstverständlich abzulehnen, egal ob er von rechter oder linker (!) Seite kommt. Im übrigen gibt es , wie du vielleicht weißt, auch linken Antisemitismus (meist als "Antizionismus" verkleidet), es gibt auch linke Rassisten, und von der Diskriminierung von Minderheiten in den kommunistischen Staaten rede ich erst gar nicht. Genau so gibt es linke Sexisten und linke Nationalisten, also bitte hör auf, in deinem Moralisierungswahn alles Negative ausschließlich dem politischen Gegner zuzuschieben.


* the degree of public concern and anxiety about a social problem or phenomenon varies inversely as to its real or actual incidence.
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Re: Staatsexamen "Metamorphosen der sexuellen Gewalt"

Beitragvon Medicus domesticus » Fr 29. Jan 2021, 21:16

Die 68-er haben schon aufgeräumt, um diesen Talar-Mob der Uni aufzulösen. Das war unsagbar!
Ich erinnere mich noch heute daran, dass Chefs auf Stationen, die schon halb als Emeritus und im Grab waren mit Anzug, Fliege und Krawatte in der z.B der Augenklinik (Mathildenstraße in München) im Studium die Patienten angemacht haben. Wir sind im Boden versunken. Ebenfalls in anderen Bereichen. Häufig waren es "die alten Professoren". Ich hab erst ab 1989 Medizin studiert und diese Zeit in den Endvarianten erlebt. :hairy:
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Re: Staatsexamen "Metamorphosen der sexuellen Gewalt"

Beitragvon consus » Sa 30. Jan 2021, 10:23

Tiberis‘ Ausführungen ist omni ex parte zuzustimmen. Deutlicher und umfassender können die zur Sprache gebrachten Probleme kaum dargestellt werden. Ich komme daher nicht umhin, mich mit meinem hochgeschätzten und langjährigen Mitstreiter auf dem Felde der Latinitas entschieden solidarisch zu erklären. Ich hoffe immer noch, dass ideologiegeleitetes Denken durch die Kraft der Rationalität zurückgedrängt werden kann.

(Irrtümlich im Bereich "Sonstige Diskussionen")
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Re: Staatsexamen "Metamorphosen der sexuellen Gewalt"

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 30. Jan 2021, 19:43

Das sehe ich nicht so, conse. Eine unabdingbare Übereinstimmung ist immer suspekt.
In den Kliniken damals haben wir sogar gegen diese Talar-Professoren gekämpft.
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Re: Staatsexamen "Metamorphosen der sexuellen Gewalt"

Beitragvon mystica » Sa 30. Jan 2021, 20:05

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Re: Staatsexamen "Metamorphosen der sexuellen Gewalt"

Beitragvon Veterinaria » Sa 30. Jan 2021, 21:10

mystica hat geschrieben:Das humanistische Bildungsideal Humboldt'scher Prägung war vor allem für eine gewisse gesellschaftliche Schicht ein elitärer Code und ist darum wohl auch mit Recht durch das Konzept sozialer Chancengleichheit im Bildungswesen seit den 70ern Jahren im letzten Jahrhundert ersetzt worden. Hierin mag auch die tief greifende Legitimationskrise der alten Sprachen an den Schulen begründet sein, die sich nun vor einer neuen Klientel von ferneren Bildungsschichten rechtfertigen muss.


Salve liebe Mystica,

da hast Du wieder einmal einen Rundumschlag gelandet, der sich gewaschen hat, aber eigentlich mit dem ursprünglichen Thema nichts mehr zu tun hat: Nämlich wie man Kindern und ihren Eltern Latein schmackhaft machen könnte.

Eigentlich teile ich Tiberis' Meinung voll und ganz - und das wird Dich ja kaum wundern.
Aber als eine, die sowohl aus den, wie man sie heute wohlwollend-herablassend nennt, bildungsfernen Schichten stammt, als auch als Gymnasiastin, die den 68er "Aufstand" an unserem Gymnasium und in den Nachrichten den Radau und die Zerstörungswut der Studenten mitverfolgen konnte und auch als Bürgerin einer "wahrhaften", nämlich direkten Demokratie, muss ich doch noch ein paar Anmerkungen machen.

Also, die Aufnahmeprüfung ins Gymnasium habe ich im Februar 1966 gemacht - und obwohl noch nicht in den 70ern, war das die fairste Prüfung, die ich je absolviert habe: Wir haben beim Namensaufruf eine Nummer erhalten und alle Schriftstücke mit dieser Nummer angeschrieben. Die korrigierenden Lehrer wussten nicht, wessen Arbeit sie vor sich hatten. Wir waren eine gut durchmischte Klasse, sowohl Kinder "der gewissen gesellschaftlichen Schicht mit dem elitären Code" als auch Kinder aus den verschiedensten bildungsfernen Schichten. Die absolute Voraussetzung für diese Art Schule ist doch einfach der entsprechende IQ, egal aus welchem Milieu man stammt. Meine Eltern konnten mir beim Lösen der Aufgaben nicht helfen. Aber es haben Kameraden und Kameradinnen die Schule aufgeben müssen, deren Eltern hätten helfen können. Deine Schlüsse zum Humboldt'schen Bildungsideal sind für mich also nicht zutreffend. Es war mir durchaus bewusst, dass so lange zur Schule gehen zu können, nicht selbstverständlich, sondern ein Privileg war. Obwohl wir damals am Samstag Vormittag auch Schule hatten und auch mit Hausaufgaben gesegnet waren, blieb doch noch Zeit, unseren Interessen nachzugehen und unsere Persönlichkeit zu formen. Dass das heute nicht mehr so ist, das verdanken wir Bologna, da hast Du recht.

Ich habe die B-Matura gemacht, also mit Latein und einer modernen Fremdsprache, in meinem Fall Englisch. Französisch hatten wir alle. Es gab noch die Typen A (mit Altgriechisch) und C, ohne die alten Sprachen - dafür mit mehr Mathe und Physik. 1973, als ich mein Studium begann, wurde beschlossen, dass auch die C-Abgänger Medizin (oder Tiermedizin) studieren konnten, was vorher nicht der Fall war. Und in meinen Augen wurde da der eigentliche "Sündenfall" den alten Sprachen gegenüber begangen. Und warum? Man - die Bildungsminister, die Unirektoren etc. - waren der Meinung, dass die Medizin immer technischer würde. Das ist auch wahr, aber jemand, der später Radiologe wird, muss sich eh da konkret weiterbilden. Zu meiner Zeit war man nach dem Staatsexamen ein in der Theorie beschlagener Generalist (-In). Heute müssen die Studenten die spätere Fachrichtung schon zu Beginn der klinischen Fächer wissen und die Hauptrichtung wird dann Schwerpunktfach genannt. Das wird auch härter geprüft. Ich finde das auch falsch, und es ist wohl auch Bologna geschuldet, wie die Einteilung des Studiums in Bachelor und Master. Auch so idiotisch. Die Kunden wollen, dass Frau Doktor im Stall ihr Metier betreibt, nämlich die tiermedizinische Heilkunst, und nicht als Masterin of Veterinary Medicine sich rein technischen Abläufen widmet.

Zu den 68ern:
1968, im Frühsommer, habe ich als Drittjahr-Gymnasiastin mit Erstaunen gesehen, dass sich die zwei letzten Klassen vor der Matura (auch nicht alle) in der grossen Säulenhalle zu Sit-ins trafen. Sie sassen da auf dem kalten Plattenboden und hielten Transparente hoch. "Ho Chi Minh," und "Che" und "Fidel", "Amis go home" - dabei hatten wir ja ausser ein paar Touristen gar keine im Land. Die Schulleitung hat das Problem nonchalant gelöst. Sie liess die "Demonstranten" ein paar Tage sitzen und fragte dann, was sie konkret wollen würden? Eine Raucherzone vor dem Schulgebäude. Die haben sie auch erhalten: Auf der dem Ostwind zugewandten Seite.
Als dann aber, im August 68 die russischen Panzer durch Prag donnerten und wir, d.h. , die jüngeren Schüler mit ihren Klassenlehrern mit einem Fackelzug gegen das Niedertrampeln von ein paar Knospen der Demokratie protestierten, hat man von den Säulenhallenheiligen nur wenige gesehen.
Du schreibst:
mystica hat geschrieben:die 68er Studentengeneration sehr hitzköpfig
. Hitzköpfig ist der falsche Ausdruck: Die waren gedankenlos, gewalttätig, ja zum Teil kriminell: Autos (die durchaus auch FabrikarbeiterInnen gehört haben könnten) anzünden, Scheiben einschlagen, Polizisten mit Pflastersteinen bewerfen - das alles ist einer Studentenschaft unwürdig. Zumal ein Teil des Studiums ja von diesem verhassten Staat finanziert wurde! Und komm mir jetzt ja nicht damit, die Polizei hätte sie provoziert und sei brutal gewesen: Jeder Staat, egal welcher Couleur, muss seine Bürger und ihr Eigentum schützen. Ich bin sicher, Caesar hätte in derselben Situation die Aufstände (um solche handelte es sich ja eigentlich) mit ein oder zwei Legionen erstickt.
Ja, was ist aus den Alt-68ern geworden? Einige haben die RAF gegründet und sind zu Terroristen und Mördern geworden, z.T. auch in ihre gelobten Ostblockländer ausgewandert und haben in dem Dunstkreis auch den Palästinensern geholfen, Flugzeuge zu entführen - die überwiegende Mehrheit hat ihr Studium wieder aufgenommen. Die Universitäten haben Studentenräte (an meinem ersten Studientag ist auch so einer beim Eingang gestanden mit einem Programm für eine Versammlung der Erstsemestrigen - was soll ich Dir sagen: 61 Veterinäre und etwa 160 Ärzte und Zahnärzte in spe haben dankend abgelehnt) toleriert, sie durften für ihre Beratungen Uni-Räumlichkeiten benutzen, die Rektoren haben ihre Anliegen mit einem Lächeln entgegengenommen und der Betrieb ging weiter wie vorher. Nichts von "verkrusteten Strukturen" aufbrechen. Die Rekruten durften mit langen Haaren Dienst tun - allerdings aus Sicherheitsgründen mit Haarnetz. Und weil das ziemlich weiblich aussieht (Transgender war damals ein unbekanntes Fremdwort), dauerte diese Phase nicht sehr lange. Aber als das Studium fertig war, da haben sich die idealistischen 68er ins Berufs - und Wirtschaftsleben gestürzt: Einige sind rot geblieben und Bundeskanzler geworden, haben Zigarre geraucht, regelmässig die Ehefrau gewechselt und Harz IV eingeführt; andere sind grün und Aussenminister geworden und einer der Bekannteren ist, nachdem er die RAF-Mörder verteidigt hatte, noch Innenminister geworden. Wiederum andere sind CEOs oder Vorstandspräsidenten von grossen Gesellschaften geworden. Und haben als solche dann Bologna mit in Gang gesetzt. Dass die 68er zur Gleichberechtigung der Frauen wesentlich beigetragen hätten, halte ich für ein Gerücht. Wir haben das Frauenstimmrecht spät erhalten - aber durch die stimmberechtigten Schweizer Männer, nicht die 68er.



Noch zu dem da:
mystica hat geschrieben: Professoren wie z. B. Ernst Nolte, der einen kausal Nexus zwischen Auschwitz und dem Archipel Gulag herzustellen versuchte, relativierte den Holocaust, indem er lehrte, dass der Archipel Gulag "das logische und faktische Prius" von Auschwitz gewesen sei.

Ich kannte die Ansicht dieses Professors bis jetzt nicht. Aber ich glaube nicht, dass er damit den Holocaust relativieren wollte. Er hatte insofern nicht recht, als dass die agierenden Nazis wahrscheinlich von diesen Gulags, weit hinten in Sibirien, gar nichts wussten. Hier wäre vielleicht auch die Bemerkung angebracht, dass Stalin durch die Gulags, die Kollektivierung der Landwirtschaft und die "Säuberung" des Offiziers-Kaders mehr Leute umgebracht hat als er dann im WK II verloren hat.
Über den Antisemitismus, der, da hast Du recht, an verschiedenen Orten wieder auflebt, was ich auch nicht gut finde, solltest Du insofern vertiefter nachdenken, als er seinen Ursprung meines Wissens nach in der frühen katholischen Kirche hat: Man hat die Juden als Mörder Christi hingestellt (das war allerdings den Nazis egal) und verfolgt. In der Folge hat man ihnen im Mittelalter nur einige Berufe zugestanden, u.a. Geldverleiher, Händler etc. Und, liebe Mystica, wenn Deine oder meine Familie während tausend Jahren Geldverleiher gewesen wären, wären wir wahrscheinlich jetzt Töchter von grossen Bankern. Und das ist den Nazis im Wesentlichen in die Nase gestochen, dass viele Bankhäuser Juden gehörten und sie gut, wie man heute sagt, "vernetzt" waren.

So und jetzt noch ein paar Worte zur Demokratie. Dass Du rechtsbürgerliche oder rechtskonservative Kreise gleich ins Nazilager schmeisst, oder ihnen Antisemitismus usw. vorwirfst, das ist intolerant und "pseudo-elitär" Ich wähle seit Jahrzehnten die Schweizerische Volkspartei (die Partei bei uns, die den grössten Wähleranteil hat, notabene), ohne Mitglied zu sein. Sie ist rechtsbürgerlich und vertritt die Interessen von Bauern, Handwerkern, Freiberuflern (wie eben Tierärzten), aber natürlich z.T. auch von einem Teil der Grossindustrie (da ist dann auch noch die FDP zuständig). Da wir eben eine direkte Demokratie sind, können wir ja auch viermal im Jahr zu Sachvorlagen Stellung nehmen. Und wenn dann diese Partei halt mit einem "Furz" kommt, ja dann stimme ich auch dagegen. So einfach ist das.
Die grosse Gefahr für unsere Demokratien ist, dass die Leute nicht mehr verlieren können. Der zentrale Punkt der Demokratie ist die Abstimmung, das Entscheidenkönnen. Und da gibt es jeweils einen Sieger und einen Verlierer. Das war schon im alten Griechenland so. Nur gab es dort keine Journalisten, die fünf Minuten nach Bekanntwerden des Resultates vom Anführer der Verlierer wissen wollte, was er falsch gemacht habe. Und der dann sofort antwortet, "eigentlich haben wir ja die Abstimmung gar nicht verloren".
Eigenartig ist auch, dass Du - aber nicht nur Du, den Populismus immer nur rechts der Mitte suchst und findest. Wenn ich richtig liege, hat das Wort mit populus zu tun und das wird ja u.a. mit "Volk" übersetzt (zu Zeiten der Republik waren das die freien Römer). Jede Partei vertritt "ihr Volk": Also müsste es dem gemäss auch Mittepopulisten, Linkspopulisten und seit einiger Zeit Grünpopulisten geben!
Und bei letzteren wären wir dann auch noch bei Greta, der Du ja "so dankbar" bist. Ist durchaus o.k. Die sollen demonstrieren - aber nicht an Schulnachmittagen! Da sollen sie lernen, damit sie dann, sollten sie einmal an den Drücker der Entscheidung kommen, alles besser machen können! Wie seinerzeit die 68er!

mystica hat geschrieben:ich meine, dass dies auch notwendig gewesen ist, um die verkrusteten autoritären Strukturen von Staat und Gesellschaft überhaupt aufbrechen zu können.


Ein Staat, selbst ein moderater, wie der in dem ich lebe, braucht gewisse, auch autoritäre (z.B. Strafverfolgung) Strukturen - sonst herrscht Anarchie. Wie damals, als die 68er auf die Strasse gingen - das waren keine Demonstrationen mehr, das waren Zerstörungsorgien.
Und wie ist denn Deine Einstellung zum Vatikan? Es gibt doch in ganz Westeuropa keinen autoritäreren Staat als den Vatikan. Gemäss Deiner Logik müssten ja die Katholiken auf dem Petersplatz Tag und Nacht demonstrieren, um die Basis-Demokratisierung Eurer Kirche herbeizuführen.

mystica hat geschrieben:Diskriminierung von Minderheiten, Sexismus, Genderphobie und Nationalismus

Warum hast Du denn am 24.1. 21. im Forum Latine loquendi unter "Abhinc annos" den Geburtstag des "alten Fritz" so gross aufgemacht? Er ist zufällig eine meiner Lieblingsfiguren der Geschichte - aber er war einer der grössten Frauenfeinde, den es in Europa je gab. Die einzige Frau, mit der er sich austauschte, war seine Schwester. Seine Gemahlin hat er, nachdem er den Thron bestiegen hatte, in einem Schloss deponiert. Er war ein Nationalist erster Güte - er hat Kriege nicht geführt, um seine Armee auszuprobieren, sondern um Preussen grösser zu machen. Er war ein absoluter Herrscher, intelligent und begabt zwar und glaubte sicher daran, wenn er sagte, " es solle jeder (nicht "jede") auf seine Façon selig werden". Das galt nur, solange sich die Façon seiner Untertanen nicht mit der Seinigen kreuzte: Dienstverweigerer und Deserteure hat er zum Tode verurteilt.

Liebe Mystica, es wäre toll, wenn Du Fritzes Motto, dass jeder (und jede) auf ihre Façon selig werden sollte, etwas mehr beherzigen würdest und nicht alle von uns, die Meinungs- und Redefreiheit und (rechts-)bürgerliche Werte hochhalten, in Deinen grossen Schlagworttopf werfen würdest.

In diesem Sinne vale

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Re: Staatsexamen "Metamorphosen der sexuellen Gewalt"

Beitragvon ClaudiaK » So 31. Jan 2021, 19:55

An Veterinaria

eigentlich verdirbst du Tiberis argumentiv die Pointe, in dem du jetzt noch deine Biografie rein bringst. An der Uni bekäme ich die Hausarbeit um die Ohren gehauen, weil euer Alter leider nicht das breite Spektrum der Gesellschaft abbildet. Das biografische Material ist leider an sich auch ohne empirischen sondern nur von Zeitzeugenwert. Und bei Zeitzeugnissen sollt man immer im Hinterkopf behalten, dass Geschichte von denen geschrieben wird, die auch der Sprache mächtig sind (siehe auch..., ach, was soll schamvoll zögern: Cicero, Caesar, Sallust, Tacitus, Valerius Maximus), und dass sie nicht die Geschichte oder eine korrekte Darstellung der Zeitgeschichte bieten sondern nur einen kleinen Ausschnitt eben.

Biografisches Erzählen unterliegt verschiedenen psychlogischen Verzerrungen (siehe Liste Wikipedia). Z.B. der Ankerheuristik. Das bedeutet, nur weil du oder Tiberis in euren Berghütten vom Klimawandel und seinen Auswirkungen nicht betroffen seid, heißt das nicht, dass er nicht stattfindet und auch tausende junge Menschen in eine beängstigende Zukunft schauen. Denn für eine Lernmotivation (nachmittags lernen und dann Knöpfe drücken) muss man die Gewissheit haben, dass die nächsten 10 Jahre sauberes Wasser aus der Leitung kommt und noch mal Gelegenheit zum Knöpfe drücken hat. Ach so: Vielleicht freust du dich in deinem Dorf gerade über das viele frische Quellwasser aus dem Bach? Ich kann dir verraten, das liegt am Abschmelzen der Gletscher. Und ach so: Die nächsten 10 Jahre reichen euch für ein gutes Leben gerade noch aus, (siehe Alter)?

Zu deinen biografischen Fakten möchte dann gerne (des breiten Abbildungsspektrums wegen) meine Erfahrungen einbringen. Ich habe eine Großmutter, die auf Grund ihrer Intelligenz auf das Lyzeum ohne Schulgeld gehen durfte, weil sie jährlich die Klassenbeste war. Da hat sie dem Sohn vom Oberbürgermeister und dem vom Oberarzt, weil: sie war auch nett und umgänglich, Nachhilfe in Mathe und Musik gegeben. Das mit dem Sohn vom Oberbürgermeister hat sich dann erledigt, denn sie war auch hübsch und die Mutter vom Sohn vom Oberbürgermeister wollte „keinen Plebs im Haus“ haben. Das war mein persönlich erstes lateinisches Wort. Dass die Mutter auch kein gutes Latein konnte, habe ich in dem Moment geschlussfolgert, als mein Lehrer mich korrigierte: die plebs. So Fortsetzung: Veterinaria, wieviel Geschwister hast du ? Vermutlich maximal 1, das ist bürgerlicher Duschnitt schon seit dem 19.Jahrhundert. Und wenn dann sicher eine Schwester, denn hättest du einen Bruder, hätter der studiert, nicht du. Vermutlich bist du Einzelkind. Lass mich bitte wissen, ob ich richtig liege. Das ist, nach meiner Familienlage bei meiner anderen Großmutter der Fall gewesen (nur des Abbildungsspektrums wegen.)

Die kluge Lyzeumsoma hat dann nicht studiert, sie ist wie die drei älteren Schwestern nach der 10. Klasse Krankenschwester geworden, der Vater hat aus seinem Gerechtigkeitsempfinden (bitte nicht zu beeindruckt sein) den anderen Geschwistern gegenüber eine höhere Ausbildung abgelehnt. (Hat der andere Großvater nicht, war ja auch ein Bruder, ein männliches Kind, da macht man schon mal Abstriche im Gerechtigkeitsempfinden). So: Oma als Krankenschwester, der Oberarztsohn ist dann Arzt geworden. Wenn man nur lange genug studiert, kommt dann auch irgendwann ein Mediziner raus. Ich rede nicht von Arzt, denn das setzt Sozialkompetenzen voraus, für die bei mittelbegabten Menschen keine Gehirnkapazität mehr frei ist. Aber zum Glück fangen die mangelnde Menschlichkeit dann die vier netten Schwestern von Station 6 auf, da kann der 68-Oberarzt ein menschenverachtendes Gehabe fortsetzen (siehe medicus domesticus – Kommentar) Aber als Tierärztin braucht man nicht erwarten, dass das Tier die Entscheidung mitträgt oder überlegen, wie es die Diagnose auffasst. Vielleicht deswegen auch nur Tierärztin? Nee, bestimmt die Liebe zu den Tieren. Die sind auch viel freundlicher als all die Menschen, mit denen es Fortuna nicht so gut gemeint hat. Und die dann Forderungen stellen! Und auch noch nachdrücklich werden! Frechheit! Wie soll man da noch nach seiner eigenen Façon glücklich werden!

Heißen wir hiermit die nächste Wahrnehmungsverzerrung willkomen und begrüßen den, tattatata Attributionsfehler: Gut , magst du I.Q-wert-mäßig hammerschlau sein, du vergisst, dass Fortuna dich in eine Umgebung hineingeboren hat, die das befördert. Lies mal Valerius Maximus Buch 6, letztes Kapitel. Der tröstet schon mal die Pechlinge, die Anlagen haben aber kein Glück. Weiter geht noch die moderne Forschung: Hast du ein geistig anregendes Elternhaus, hast du einen besseren Start in der Schule, hast du keins, wirst (ich unterstreiche: wirst, im Sinne wirst gemacht) du zu einem Kasper Hauser. Das würde bedeuten, aber soweit geht ja keiner, das Kinder möglichst zeitig die Krippe besuchen. Ich höre der Leser Worte: Ach du Schreck: Kommunismusalarm. Nee, macht ja keiner.

Und zum Schluss, warum machst du Mystica so persönlich runter. Du unterstellst ihr in ihren Interessen Inkonsistenz. Es spricht für ihr Wesen, sich in viele Richtungen zu interessieren. Bei den Lehrern heisst das Perspektivübernahme. Das ist was Gutes. Das ist die Voraussetzung für Mitfühlen. Aber zuviel davon ist nicht besonders gesund. Es verdirbt den Schlaf. Oder?
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Re: Staatsexamen "Metamorphosen der sexuellen Gewalt"

Beitragvon Medicus domesticus » So 31. Jan 2021, 21:45

Naja, ClaudiaK.
Dazu sage ich nur wenig. Nur eines: Meine Frau IST Krankenschwester. Ihr Vater ist bereits mit 47 Jahren gestorben. Ihre Mutter hat nichts Wesentliches gelernt und war Putzfrau und Betreuerin bei einem Betrieb, der Mädchen betreut, die als Teenager bereits ein Kind bekommen haben....Sie hat drei Kinder, meine Frau und zwei Brüder durchgebracht.
Ich habe übrigens drei Kinder:
Eine, die Jüngste, muß sich als Tochter den Streß des online-Unterrichts antun. Mein mittlerer Sohn hatte schon lange keine Präsenz mehr in der Uni, nur online. Mein ältester hat diesselben Probleme.
Schreiben kann man viel, ClaudiaK, auch wenn man kaum Ahnung hat, vielleicht ein bisschen Uni-Erfahrung.
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Re: Staatsexamen "Metamorphosen der sexuellen Gewalt"

Beitragvon ClaudiaK » So 31. Jan 2021, 22:24

Die eigenen biografischen Erlebnisse liefern nur schlechte Argumente.
Und:
Das Beispiel deiner Frau lässt gerade offen, ob sie mit einem anderen familiären Hintergrund, nicht ein Medizinstudium gepackt hätte.
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Re: Staatsexamen "Metamorphosen der sexuellen Gewalt"

Beitragvon Veterinaria » So 31. Jan 2021, 23:28

An ClaudiaK

Es ist nicht das erste Mal, dass ich mich mit Mystica austausche. Bis jetzt per PN - und vielleicht hätte ich es besser auch so gemacht.

Aber Du liegst fast in allem falsch:

Ich wohne nicht in einer Berghütte, sondern im zersiedelten, verbetonierten, schweizerischen Mittelland. Und es ist wahr, ich habe fliessendes Wasser. Du unterstellst mir, ich würde den Klimawandel leugnen - und das stimmt nicht. Ich sehe die Veränderungen in den letzten Jahren fast jeden Tag. Aber ich wusste es schon vorher. Nicht weil ich einen überschiessenden IQ hätte - aber immerhin hat er gereicht, nur mit der schriftlichen Prüfung ins Gymnasium zu gelangen, dieses und das Studium linear zu durchlaufen und auch zu promovieren. Auch nicht weil ich hellseherische Fähigkeiten gehabt hätte. Sondern weil uns 1966 unser Mathelehrer, der auch unser Klassenlehrer war, uns das voraussagte und auch begründete. Trotzdem war die Lernmotivation gross, schliesslich wollte ich ja Tierärztin werden. Und um dies vorwegzunehmen, weil ich mit Tieren aufgewachsen bin und sie mir leid taten, wenn sie krank wurden.
ClaudiaK hat geschrieben:Aber als Tierärztin braucht man nicht erwarten, dass das Tier die Entscheidung mitträgt oder überlegen, wie es die Diagnose auffasst. Vielleicht deswegen auch nur Tierärztin? Nee, bestimmt die Liebe zu den Tieren. Die sind auch viel freundlicher als all die Menschen, mit denen es Fortuna nicht so gut gemeint hat.

Es ist beim Tier in vielen Fällen nicht so einfach zu einer Diagnose zu kommen - weil sie nämlich ihre Beschwerden nicht erzählen können. Ausser natürlich bei Lahmheiten, da sieht man welches Bein, aber nicht welche Struktur, das muss man dann herausfinden. Man muss die Schilderung der Besitzer miteinbeziehen und der kann man nicht immer trauen. Das angenehme an den Tieren ist, dass sie nicht lügen. Nein, das Tier kann die Diagnose nicht auffassen oder Entscheidungen mittragen. Das muss man mit den Besitzern durchfechten. Und da fliessen nicht selten Tränen! Wie ist es denn in der heutigen Humanmedizin? Glaubst Du denn, die heutigen Oberärzte seien anders als die von 1968? Dann irrst Du Dich. Ich hatte die letzten Jahre Gelegenheit, bei zwei grösseren Eingriffen, denen sich meine Mutter unterziehen musste, das Handling der Patienten zu beobachten. Die Empathie, die Du mir, ohne mich zu kennen, absprichst, habe ich nur bei einer Notfallärztin festgestellt. Beim dem einen Spitalaufenthalt hatten wir jeden Tag einen anderen Arzt, der Auskunft geben sollte. Aber man konnte ihre Gedanken lesen: Es ist ja nur eine alte Frau, was machen Sie denn für ein Fass auf? Im Gegensatz zu Medicus domesticus konnte ich zu meiner Studienzeit, 1973 bis 78, also nach 68, in unserer Fakultät keine solchen Oberärzte feststellen. Nur der Dozent für Buiatrik war etwas schwierig - er war der Meinung, dass Frauen bei den Grosstieren nichts verloren hätten und das hat er uns auch spüren lassen.

ClaudiaK hat geschrieben: weil euer Alter leider nicht das breite Spektrum der Gesellschaft
.
Aber zahlenmässig ein sehr Grosses: Ich gehöre einem der Babyboomer Jahrgänge an. Und ich kann Dir versichern: Auch Du wirst mit grosser Wahrscheinlichkeit älter und alt werden und dann irrelevant?

ClaudiaK hat geschrieben:Veterinaria, wieviel Geschwister hast du ? Vermutlich maximal 1, das ist bürgerlicher Duschnitt schon seit dem 19.Jahrhundert. Und wenn dann sicher eine Schwester, denn hättest du einen Bruder, hätter der studiert, nicht du. Vermutlich bist du Einzelkind. Lass mich bitte wissen, ob ich richtig liege.

Nein, Du liegst komplett falsch. Ich bin die Erstgeborene von drei Kindern, die anderen sind /waren Brüder - der jüngste lebt leider nicht mehr.
ClaudiaK hat geschrieben:Hast du ein geistig anregendes Elternhaus, hast du einen besseren Start in der Schule, hast du keins, wirst (ich unterstreiche: wirst, im Sinne wirst gemacht) du zu einem Kasper Hauser

Beide meiner Grossmütter haben die normale Grundschule absolviert. Die eine hat sieben Kinder aufgezogen, die andere sechs. Ich weiss nicht, wie geistig anregend mein Elternhaus war, urteile selbst: Wir hatten zwei Tageszeitungen und eine Wochenzeitschrift abonniert. Meine Mutter hat mir einfach vor dem ersten Schultag erklärt, die Schule sei etwas Wichtiges und ich würde dort viele interessante Dinge lernen. Und ich habe ihr das geglaubt und das auch so empfunden. Dazu war sie zu Hause, Du würdest wahrscheinlich sagen, "Nurhausfrau", und hat dafür gesorgt, dass ich die Aufgaben gemacht habe, bevor ich zu den Tieren eilte. Und, weil ich wie Mystica, auch viele Interessen hatte, habe ich mir bei jeder Gelegenheit - Geburtstag, Weihnachten, Ostern - Bücher gewünscht und meist auch erhalten. Ach ja, und wir hatten keinen Fernseher. Und Smartphones ja sowieso nicht.

ClaudiaK hat geschrieben: das Kinder möglichst zeitig die Krippe besuchen.

Das sollte nach wie vor den Eltern freigestellt werden. Die Gefahr, dass zumindest in staatlichen Krippen, Kleinkinder indoktriniert - von welcher Seite auch immer - würden, ist nicht von der Hand zu weisen.

ClaudiaK hat geschrieben:Und zum Schluss, warum machst du Mystica so persönlich runter. Du unterstellst ihr in ihren Interessen Inkonsistenz. Es spricht für ihr Wesen, sich in viele Richtungen zu interessieren. Bei den Lehrern heisst das Perspektivübernahme. Das ist was Gutes. Das ist die Voraussetzung für Mitfühlen. Aber zuviel davon ist nicht besonders gesund. Es verdirbt den Schlaf. Oder?


Ich habe Mystica nicht heruntergemacht. Ich wollte ihr auf Grund meiner (Teil-)Biografie und geschichtlichen Fakten (oder willst Du bestreiten, dass die RAF aus den 68er Studentenrevolten hervorgegangen ist? Dass der spätere Bundeskanzler Schröder und einige seiner Minister auch Alt-68er waren? Und kaum waren sie in Machtpositionen, "ihre" Klientel vergessen haben?) aufzeigen, dass ihre Meinung nicht die allein selig machende ist.
Übrigens habe auch ich neben der Tiermedizin noch einige andere Interessen, unter anderem immer schon Religion. Und es ist mir eigentlich egal, ob das bei den heutigen Lehrern "Perspektivübernahme" heisst oder nicht. Und das kannst Du mir glauben oder auch nicht, ich leide nicht an einem Mangel an Mitgefühl. Es ist mir früher schon von Nachbarkollegen gesagt worden, ich hätte zuviel und müsste zur Kenntnis nehmen, dass man nicht jedes Tier retten könne. Und das muss man auch den Humanmedizinern zubilligen: Sie können nicht jeden Menschen retten. Man muss als Arzt oder Tierarzt auch lernen, dass man nicht alles Leid der Zielspezies schultern kann. Aber LehrerInnen oder Lehramts-StudentInnen müssen das ja nicht, darum können sie ja auch so wie Du darüber theoretisieren, wie wir sein sollten.

ClaudiaK hat geschrieben:Es verdirbt den Schlaf. Oder?

Ab einem gewissen Alter, ClaudiaK, schläft man nicht mehr soviel wie zu Studienzeiten. Aber wenn ich schlafe, kann mir eigentlich nur das Telefon den Schlaf verderben.
Und da ich meinen Lateinunterricht hinter mir habe, muss ich auch nicht befürchten, dass ich eines Tages zu Dir in den Unterricht müsste - diese Aussicht würde mir wohl Albträume bescheren.

Noch ein kleiner Nachtrag zu "plebs": Im Lateinischen ist das Wort rein feminin; aber im Deutschen Gebrauch "Plebs" ist gemäss Duden auch der maskuline Artikel möglich - also hatte Deine Mutter auch recht.
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Re: Staatsexamen "Metamorphosen der sexuellen Gewalt"

Beitragvon Tiberis » So 31. Jan 2021, 23:36

Werte ClaudiaK,

Wie ich eben sehe, hat Veterinaria schon geantwortet, also kürze ich meinen ursprünglichen Beitrag. Nur so viel:

Eine Invektive, die sich vor allem durch schlechtes Deutsch, Mutmaßungen, Klischees und plumpe Unterstellungen auszeichnet, verliert schnell ihre beabsichtigte Wirkung. Auch am Stilmittel der Ironie solltest du noch ausgiebig feilen.
Im übrigen finde ich es bemerkenswert, dass du dir Veterinaria als Adressatin ausgesucht hast, während doch ich die von dir etwas unbeholfen verteidigte Mystica wesentlich schärfer angegriffen habe.

ClaudiaK hat geschrieben:nur weil du oder Tiberis in euren Berghütten vom Klimawandel und seinen Auswirkungen nicht betroffen seid, heißt das nicht, dass er nicht stattfindet

Sehr witzig. :roll: Irgendwie erinnert mich das an den Trump- Sager von den "Waldstädten", in denen seiner Ansicht nach die Österreicher leben.
Aber abgesehen davon offenbarst du mit diesem unsäglichen Ausspruch auch dein mangelndes klimatologisches Wissen: Würden wir nämlich in Berghütten leben, wie du vermutest, wären wir vom Klimawandel tatsächlich weit stärker betroffen als die Bewohner des Flachlandes. Aber Sachkenntnis, selbst die bescheidenste, darf man von den Greta- Anbeter*Innen wohl nicht erwarten.
Außerdem: Wer von uns hat jemals den Klimawandel bestritten? Ein Klimawandel ist die natürlichste Sache, das begreifen nur die nicht, die glauben, gegen ebendiesen Klimawandel "kämpfen" zu müssen.
ClaudiaK hat geschrieben:Vielleicht freust du dich in deinem Dorf gerade über das viele frische Quellwasser aus dem Bach? Ich kann dir verraten, das liegt am Abschmelzen der Gletscher

wieder falsch. Jetzt "gerade" (im Winter) wirst du in den ganzen Alpen keinen schmelzenden Gletscher finden.
Und trotzdem gibt es frisches Quellwasser. O Wunder! :lol:
Sogar im Hochmittelalter, als die Alpen großteils unvergletschert waren , gab es frisches Quellwasser. so what?
ClaudiaK hat geschrieben:nur Tierärztin?

ganz schön unverschämt. Aber mit solchen Äußerungen entlarvst du dich letztlich selbst.
ClaudiaK hat geschrieben:. Ich höre der Leser Worte: Ach du Schreck: Kommunismusalarm

Der Hinweis auf den Kommunismus war unnötig, über deine Ideologie sind wir uns ohnehin schon längst im Klaren.
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Re: Staatsexamen "Metamorphosen der sexuellen Gewalt"

Beitragvon Willimox » Mo 1. Feb 2021, 01:08

Vielleicht darf ich noch einmal auf eine zentralen Fragenkomplex dieses Threads zurückkommen:

Ist das Vergewaltigungsmotiv in den Metamorphosen ein stichhaltiges Argument gegen gymnasiale und universitäre Lektüre und gegen den klassischen Kanon?
Ist das Argument so abseitig und empörend, dass man es ignorieren oder empört zurückweisen sollte.

Macht sich derjenige, der für das didaktische Examen in Latein die Paul Barie-Frage auswählt, der linken Zeitgeisthörigkeit und einer Verkennung lateinischer Sprachkultur schuldig?

Welche Gedankengänge scheinen plausibel, wenn man die Berechtigung solcher Fragen akzeptiert, gleichzeitig aber das Aggressionspotential solcher Fragen in aktuellen Diskussionen erkennt und für zerstörerisch hält?
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Re: Staatsexamen "Metamorphosen der sexuellen Gewalt"

Beitragvon ClaudiaK » Mo 1. Feb 2021, 01:25

Macht sich derjenige, der für das didaktische Examen in Latein die Paul Barie-Frage auswählt, der linken Zeitgeisthörigkeit und einer Verkennung lateinischer Sprachkultur schuldig?



Willimox, so muss es sein, oder die Fragestellung ist hundsgemeine Perfidie. Und dann wäre es am besten, die Unangemessenheit der Fragestellung selber nachzuweisen.
Zuletzt geändert von ClaudiaK am Mo 1. Feb 2021, 02:02, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Staatsexamen "Metamorphosen der sexuellen Gewalt"

Beitragvon ClaudiaK » Mo 1. Feb 2021, 01:25

Für Tiberis und Veterinaria,

eine sachliche Antwort mit der angemessenen Freundlichkeit.
Ich sehe ein, dass es sich bei meinem Pamphlet um einen Rudi-Völler-Ausfall handelt. Ich verspreche, an meinen Argumenten zu arbeiten und meine Ironie für die Ansprüche dieses Forums zu verfeinern. Ich gebe auch zu, dass vieles Mutmaßung war. Wenn ich mutmaße, und dies auch unbegründet, erfahre ich mehr.

Warum ich dich, Veterinaria, gewählt habe? Mir schien, dass mit Mystica und dir Tiberis die Positionen, die in Diskussionen gebracht werden, abgesteckt und dargelegt worden sind.
Im übrigen bin ich davon ausgegangen, dass Tiberis' Meinung allgemein verbreitet ist unter vielen Lateinern, denn eine grundlegende Haltung zum Bewahren und eine Ablehnung des Neuen findet sich oft bei den Liebhabern des Lateinischen. Das schien mir ein Problem in Bezug auf die Aufgabenstellung zu sein. Sollte also mir diese Aufgabe gestellt werden, wie mit Texten , ich nehme mal .... besser kein konkretes Beispiel, umgegangen werden soll, so werde ich antworten, dass solche Texte entweder nicht oder nicht unreflektiert gelesen werden dürfen.
Nun kamst du Veterinaria, mit dem Ziel, Tiberis' Position mit Erinnerungen aus der eigenen Biografie zu untermauern. Ich schätze Biografien sehr, denn je mehr Menschen und deren Lebensläufe man kennt, desto weniger ideologieanfällig ist man selber. Leider sind einzelne Belege aus der eigenen Biografie argumentativ nicht besonders stark. Auch der Hinweis, dass du aus einem geburtenstarken Jahrgang stammst, hilft nicht wirklich dabei, zu verstehen, wie die Bildungsbiografien deiner Generation verlaufen sind. Ob jeder Blütentraum auch reifte.
Den Ton zwischen Mystica und dir habe ich in Unkenntnis eurer schon bestehenden näheren Bekanntschaft falsch verstanden.

Was man als junger Mensch den Älteren als Trägheit vorwirft, werfen sie den Jungen gern als Übereifer vor. Indiskutabel zu weit gehen die Gewaltexzesse der RAF. Doch an der Stelle möchte ich auf Greta-Thunberg kommen. Es geht ja nicht nur um den Klimawandel, es geht ja auch um die Plastikvermüllung der Weltmeere, Verunreinigungen von Trinkwassern auf anderen Kontinenten, Shell jüngst als Beispiel oder die Färbereien in Indien. Das sind ja menschengemachte Probleme. Und selber vernünftig einkaufen und auf die Umwelt zu achten, wie wir alle es mit etwas Bewusstsein tun, reicht offensichtlich nicht aus. Und dann werden die Forderungen nachdrücklicher und die Veränderungen heftiger eingefordert, bis sich etwas bewegt. Und wenn die Politik sich nicht, beispielweise um vertraglich nachzuweisende Lieferketten und um die Einhaltung von Umweltstandards kümmert, dann ist das die Aufregung allemal wert. Und diese Problem müssen international verhandelt werden und können nicht auf nationaler Ebene gelöst werden. Aber genau das suggeriert bei uns die AFD. Dabei müsste man vielmehr den Preis der Kleidung erhöhen und Konzerne in die Verpflichtung nehmen. Aber mit solchen Forderungen verschreckt man den Wählen mit wenig Geld und auch die Wirtschaft.

Mein Ton war dreist, die Gletscherquelle peinlich, der Werdegang der aufgezählten Politiker ist mir bekannt, Ideologie habe ich keine. Und die nüchternen Ausführungen von dir Veterinaria und die Hinweise zur Verbesserung meines Sprachduktus, damit meine Argumente Gehör finden, Tiberius, weiß ich zu schätzen.

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Re: Staatsexamen "Metamorphosen der sexuellen Gewalt"

Beitragvon Tiberis » Mo 1. Feb 2021, 21:32

Quod insolenti temperare iam linguae
videris interimque factus est sermo
modestior tuus, mihi quidem est gratum.
debemus illas praeterire doctrinas,
ad res Latinas nunc erit revertendum!
:wink:
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