u oder v?

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Beitragvon Soral » Di 1. Mai 2007, 12:37

Wie sieht es eigentlich mit dem Überbringer der Schrift aus?

Also EVANDER? [EVANDER] oder [EUANDER] (da von εὔανδρος abgeleitet) ?
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Beitragvon Tiberis » Di 1. Mai 2007, 13:52

Wenn wir in die Metrik gehen, amici, erlebt man, was i/j und u/v angeht, Überraschungen:
Vergil, Georgica 1, 482: fluviorum.

du sagst es, o Conse. :)
außerdem ist es sowieso eine gemeinheit :D , dass flu in fluvius ,fluere usw. kurz ist, in flumen hingegen lang.
der grund hierfür ist mir nicht bekannt. ersatzdehnung? :?
Also EVANDER? [EVANDER] oder [EUANDER] (da von εὔανδρος abgeleitet) ?

EV in EVANDER ist jedenfalls ein diphthong, somit als eine silbe zu lesen bzw. zu sprechen. das V wurde vermutlich halbvokalisch gesprochen, ähnlich dem engl. W.
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Beitragvon Milo » Do 3. Mai 2007, 17:02

Tiberis hat geschrieben:spannend wird es in den kombinationen QV, GV, SV vor vokal:
LINGVA > lingwa; VNGVENTVM> ungwentum, CONSVEVIT>conswe:wit
wenn aber GV und SV mit dem folg. vokal keine silbe bilden, dann > U
SVOS > suo:s ; ARGVO > arguo:


Man spricht "lingua" wie "lingwa"?? aber das kann doch nicht sein, beim skandieren sind das doch auch immer zwei silben (also insgesamt dann drei), oder? :?
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Beitragvon RM » Do 3. Mai 2007, 18:37

Selbst im modernen Italienisch werden diese Kombinationen noch mit u (nicht v oder w) gesprochen. Im Übrigen ist es ziemlich sicher, daß in klassischer Zeit das v eher wie ein u (oder engl. Anlaut-w) klang (war ja auch derselbe Buchstabe). Am anschaulichsten wird das, wenn jemand das Wort "cauneas" als "cave ne eas" versteht ... Erst in späterer Zeit änderte sich das. Hat nicht Claudius das alte Digamma als neuen Buchstaben für das w einführen wollen?
Vergil als Beispiel halte ich übrigens für ungünstig, da er sich wesentlich mehr Freiheiten herausgenommen hat, als ein Schüler oder Student dürfte ;-)

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Beitragvon consus » Do 3. Mai 2007, 19:37

Im Zusammenhang mit der von RM verdienstvoll erwähnten Stelle Cic. div. 2, 40, 84 sei auch an Varro ling. 6, 83 erinnert:
aures ab aveo, quod his avemus discere semper, quod Ennius videtur έτυμον ostendere velle in Alexandro, cum ait: „Iam dudum ab ludis animus atque aures avent, / Avide expectantes nuntium.“

Obiter additum:
Vergil als Beispiel halte ich übrigens für ungünstig

Im Gegensatz dazu sehe ich in dem Hinweis auf Vergils „fluviorum“ ein passendes Beispiel für die auf den ersten Blick überraschenden Phänomene, auf die unsere Studierenden im Umgang mit der lateinischen Dichtung gefasst sein müssen. Man denke auch an die viersilbige Messung von aquai in Lucr. 6, 1072:
vitigeni latices ăqŭāī fontibus audent

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Beitragvon RM » Fr 4. Mai 2007, 17:56

Tja, wenn's nur - speziell bei Vergil und Lukrez - nicht so viele Dinge gäbe, die nicht so richtig den Normen entsprechen wollen. Gerade "fluviorum" würde ich da auf jeden Fall als Ausnahme ansehen. Da hat sich Vergil halt einfach nicht an die Regeln gehalten - dafür ist es ein "echter" Vergil (Quod licet Vergilio, non licet discipulo!).
Und der Lukrez ... also viersilbig ... naja. Sollten wir uns nicht lieber darauf einigen, daß in dem Vers entweder etwas fehlt oder das a vor qu positionslang ist ("acqua" schreibt man im Italienischen mit einem c vor dem q - wurde das vielleicht damals schon so gehört?)? Die Stelle sieht so allenfalls ein wenig unfertig aus.

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