poemata dilecta

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Beitragvon Tiberis » Do 7. Jun 2007, 20:49

bis auf den vorletzten Vers, dem ich nicht das Prädikat Hexameter zuerkennen kann

doch, mi Conse! wenn die betonung richtig erfolgt, ist es durchaus ein hexameter:
wíe das nur möglich sei, frágst du. den líebenden treibt solches únrecht
ego sum medio quem flumine cernis,
stringentem ripas et pinguia culta secantem,
caeruleus Thybris, caelo gratissimus amnis
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Beitragvon Sokrates Palaios » Do 7. Jun 2007, 21:05

Conse, tibi S. D.
Danke für die Korrektur. Wenn ich im vorletzten Vers das talis nicht beachte, könnte ich das letzte Distichon so übersetzen:

"Wie ist das möglich?" fragst du; den Liebenden treibet das Unrecht
mehr zu heißer Begier - wenig bekümmert um dich.

Stimmt dann das Metrum?

bene valeas!
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Beitragvon Sokrates Palaios » Do 7. Jun 2007, 21:21

Meine Übersetzung von Catull, c. 72 passt natürlich auch zu poemata dilecta, aber eigentlich sollte sie unter ODI ET AMO erscheinen, wo Consus das Original gebracht hat. Tut mir Leid.
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Beitragvon consus » Do 7. Jun 2007, 22:34

Salvete, Tiberis, Socrates!
Bei der Bewertung des vorletzten Verses ließ ich mich von einer anderen Betonung leiten. Obwohl ich kein Germanist bin, könnte sich die Beschäftigung mit der Bildung deutscher Hexameter also doch lohnen. Ich lese sie gerne, überlasse aber das Verfertigen solcher Verse anderen.
Sit vobis semper bene.
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Beitragvon soleatus » Do 7. Jun 2007, 23:48

Salvete :)

Die erste Fassung ist korrekt, Sokrates, aber sie macht es dem Leser nicht leicht ;) Ich sehe aber nicht ganz, was der Verzicht auf das "solche" ändert? Die Probleme liegen doch mehr am Anfang des Verses.

"Wie ist das möglich?" fragst du; den Liebenden treibt solches Unrecht

also vorne deine Änderung, hinten alles wie gehabt, klingt prima für mich :)

Vielleicht könntest du vorne die zweite unbetonte Silbe mitnutzen, dann läuft der Vers ganz glatt - vielleicht schon zu glatt ;)

Wie dieses möglich sei, fragst du? Den Liebenden treibt solches Unrecht

"Wie ist das möglich?" so fragst du; den Liebenden treibt solches Unrecht

etc.
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Zäsuren im deutschen Hexameter

Beitragvon consus » Fr 8. Jun 2007, 10:05

Salvete, amici rerum metricarum peritissimi!

Catulls Hexameter (c. 72, 7):

"Qui potis est, / inquis? / quod amant’ / iniuria talis"

- u u / - TH - / - PH u u / - HH - / - u u / - ~

(Zäsuren: Trithemimeres, Penthemimeres als Hauptzäsur, Hephthemimeres)


(1) So las ich Sokrates’ Übersetzung:

„Wie das nur möglich sei, / fragst du: / Den Liebenden treibt solch [-es Unrecht]“

Xxx / Xx / X PH x / X HH x / Xxx / Xx
(Zäsuren: Penthemimeres, Hephthemimeres als Hauptzäsur).

Es wird deutlich, dass sich für mich angesichts meiner drei Spondeen bei den letzten drei Silben ein Problem ergeben musste.

(2) Tiberis liest hier problemlos einen rein daktylischen Hexameter:

„wíe das nur möglich sei, frágst du:/ den líebenden / treibt solches únrecht“.

Xxx / Xxx / Xx KT x / Xxx BD / Xxx / Xx
(Zäsuren: kata ton triton trochaion, bukolische Diärese).

(3) Sokrates’ neue Version lese ich wie folgt:

"Wie ist das möglich?" fragst du; // den Liebenden / treibet das Unrecht"

Xxx / Xxx / X PH x / Xxx BD / Xxx / Xx

(Zäsuren: Penthemimeres, bukolische Diärese)

Bei Catull wie bei Sokrates Penthemimeres als Hauptzäsur.

Wie wäre es hier mit der Variante: "... treibet solch Unrecht"?

(4) Auf Soleatus’ Hexameter sei hier ausdrücklich hingewiesen.

Grundsätzliche Frage an die Experten (aus der Germanistik):

Welchen Stellenwert haben im deutschen Hexameter Zäsuren?

Optime valete.
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Beitragvon Apollonios » Fr 8. Jun 2007, 12:57

amici illustrissimi,

hier meine Catull-Übertragung:

Sagtest du nicht vor langem, Catull alleine zu lieben,
Lesbia, mir nicht einmal Jupiter vorzuziehen?
Liebte ich dich doch nicht so wie der Pöbel die Freundin,
sondern so wie der Vater seinen Sohn oder Eidam.
Nun erkannte ich dich: heftig glüh ich noch immer,
aber du bist mir nun allzu gering und billig.
Fragst du noch, wie einen Liebenden zwingen kann solches Unrecht,
mehr zu begehren und doch weniger freundlich zu sein?

Und hier mal wieder Marull statt Catull:

consus hat geschrieben:
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De suo amore

Iactor, dispereo, crucior, trahor huc miser atque huc,
    Ipse ego iam quis sim nescio aut ubi sim:
Tot simul insidiis premor undique: proh dolor! in me
    Saevitiae Cypris dat documenta suae.
Saevitiae documenta suae dat, ego hanc tamen unam
    Depereo, utque nocet, sic libet usque sequi.
Qua siquis miserum solam me liberet horam,
    Hic mihi sit Phoebo doctior et melior.


Die deutschen Barockdichter haben oft genug Überetzungen in ein ganz anderes, dem Deutschen gemäßes Versmaß gebracht - eine Methode, für die ich einiges übrig habe. Hier mein Versuch:

Marulls Liebe

Verzweifelt, gequält, betrogen,
bald hier, bald dorthin gezogen,
weiß selbst nicht wer und wo ich bin.
So viele Listen mich drücken,
und Cypris zeigt ihre Tücken,
zeigt ihre Tücken, und ich bin
dem Tode nah durch die eine,
die mir nur schadet alleine
und die mir doch immer im Sinn.
Wer mich eine Stund nur befreit von ihr,
ist klüger und süßer als Phöbus mir.

Was die Zäsuren in deutschen Hexametern angeht - Goethe fand sie nicht so sehr wichtig, als er den Reineke Fuchs schrieb. Ist aber eines der schönsten Gedichte.
Zuletzt geändert von Apollonios am Fr 8. Jun 2007, 16:59, insgesamt 2-mal geändert.
וָאֹמַר מִי־יִתֶּן־לִּי אֵבֶר כַּיּוֹנָה אָעוּפָה וְאֶשְׁכֹּנָה ׃
et dixi quis dabit mihi pinnas columbae ut volem et requiescam
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Beitragvon consus » Fr 8. Jun 2007, 13:30

Salvete, amici!

Schiller in der Vorerinnerung zu seiner nicht-hexametrischen Vergil-Übersetzung:

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Der deutsche Hexameter schien ihm diese Eigenschaft nicht zu besitzen, und er hielt sich für überzeugt, dass dieses Silbenmaß, selbst nicht unter Klopstock’ischen und Voß’ischen Händen, diejenige Biegsamkeit, Harmonie und Mannigfaltigkeit erlangen könnte, welche Virgil seinem Übersetzer zur ersten Pflicht macht.

Andere Versmaße bei Übersetzungen also ins Auge zu fassen, wie es auch heute Apollonios tat, dürfte reizvoll sein.

Es lebe die Poesie!
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Beitragvon Laptop » Fr 8. Jun 2007, 13:46

Mein Vermutung:

Animula vagula blandula,
hospes comesque corporis,
quae nunc abibis in loca,
pallidula, rigida, nudula,
nec ut soles dabis iocos.

Liebste schweifende Seele,
des Leibes Wirt und Begleiter,
du entschwindest nun in die Unterwelt,
in die bleiche, steife, nackte [Welt], (die Welt der Leichen)
nicht mehr wirst scherzen wie sonst.

loca sehe ich als "loca inferna".

Anscheinend waren es die letzten Worte des im sterben liegenden Hadriani. Spricht man seine eigene Seele dichterisch an? Befremdlich.
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Beitragvon Apollonios » Fr 8. Jun 2007, 14:23

Salve laptop,

es gibt auch die Theorie, daß sich das Gedicht auf Antinoos bezieht. Ich kann das nicht beurteilen, mir aber vorstellen.
Im Übrigen ist ein dichterisches Selbstgespräch m.E. gar nicht so erstaunlich, wenn man sieht, wie z.B. Catull und Marull ihre eigene Zerrissenheit beklagen. (Im Ansatz lese ich das auch aus Sapphos "bittersüßem Eros" heraus.) Eine Aufforderung an die eigene Seele ist mir aus dem Hebräischen präsent (Ps. 57) und darüber von Dichtern wie Joachim Neander (Lobe den Herren... meine geliebete Seele) bekannt.
וָאֹמַר מִי־יִתֶּן־לִּי אֵבֶר כַּיּוֹנָה אָעוּפָה וְאֶשְׁכֹּנָה ׃
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Beitragvon consus » Fr 8. Jun 2007, 16:33

Salve, Apolloni!
Freue mich sehr, dass auch der Marullo, der mich in diesen Tagen etwas beschäftigt, einigen Anklang findet, wie ich der einfühlsamen Übersetzung entnehme. Genau dazu habe ich aber eine Frage. Marullo schreibt:
utque nocet, sic libet usque sequi

Diese Worte deute ich im Hinblick auf den durch ut-sic hier ausgedrückten Gegensatz folgendermaßen:
„und wenn sie auch mir schadet, so gelüstet es mich doch, ihr in einem fort zu folgen“, d.h. der Dichter weiß zwar, dass die Geliebte ihn ruiniert, will aber doch „an ihr dran bleiben“. Hier zeigt sich m. E. eine ähnliche Stimmung wie in Catulls c. 85. Müsste das nicht, wenn die Stelle denn wirklich so zu verstehen ist, auch in der Übersetzung deutlich werden? Tu quid censes? Ich vertraue Kalliopes Übersetzungskunst!
Sit tibi semper bene!
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Beitragvon Apollonios » Fr 8. Jun 2007, 16:57

Conse mi,

stimmt, da habe ich nicht sorgfältig genug gearbeitet. :oops: Ich ediere das jetzt - und hoffe, dann ist es verständlich.

Gratias tibi ago.
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Beitragvon soleatus » Fr 8. Jun 2007, 18:04

Salvete!

Na ja, der "deutsche Hexameter" ist ja etwas, was sich erst zwischen 1750 und 1800 so richtig ausgebildet hat - aber am Ende war's dann ein Versmaß, das ganz wunderbar die antiken Hexameter wiedergeben konnte :)

Schillers Vergil-Übertragung ist die von 1792, in Stanzen, oder? Die hat er ja witzigerweise im "Wettstreit" mit Bürger veranstaltet. Der wiederum hatte Homer in iambischen Versen wiedergeben wollen, ist damit aber nicht soooerfolgreich gewesen - da hat sich "ein Hexameter für einen Hexameter" (Voß, Stolberg) durchgesetzt ;)

Ach ja, die Zäsuren: Eigentlich gelten da dieselben Regeln, Präferenzen etc wie im antiken Vers auch, oder? Kam mir zumindest immer so vor :)

Aber natürlich hat auch das Übersetzen in andere Versmaße seine Reize. Ich schmökere gerade in "Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall, Ein Dichter und Vermittler orientalischer Literatur" von Baher Mohamed Elgohary, und mir gehen wirklich die Augen über: Der gute Freiherr hat die arabisch- / persischen Verse in einer unglaublichen Vielfalt deutsche Verse wiedergegeben, und das immer so, dass das Ergebnis großartig klingt (wie nah es noch am Original ist, kann ich allerdings nicht beurteilen ;)). Es sind auch viele Distichen dabei - nur um den Bogen zurück zu kriegen :D
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Beitragvon consus » Fr 8. Jun 2007, 18:44

Commode nunc conversum, mi Apolloni! Gratulor.
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Prop. 4, 11.

Beitragvon consus » Fr 15. Jun 2007, 21:14

Liebe und Tod – nahe beieinander...

Hier der Anfang der Regina elegiarum (Prop. 4, 11, 1-14) - - - Die durch einen frühzeitigen Tod dahingeraffte Cornelia spricht aus dem Jenseits zu ihrem Gemahl Paullus:

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Desine, Paulle, meum lacrimis urgere sepulcrum:
    panditur ad nullas ianua nigra preces;
cum semel infernas intrarunt funera leges,
    non exorato stant adamante viae.
te licet orantem fuscae deus audiat aulae:
    nempe tuas lacrimas litora surda bibent.
vota movent superos: ubi portitor aera recepit,
    obserat herbosos lurida porta rogos.
sic maestae cecinere tubae, cum subdita nostrum
    detraheret lecto fax inimica caput.
quid mihi coniugium Paulli, quid currus avorum
    profuit aut famae pignora tanta meae?
non minus immitis habuit Cornelia Parcas:
    et sum, quod digitis quinque legatur, onus.

..... ..... .....
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