Apuleius

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

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Re: Apuleius

Beitragvon iurisconsultus » Fr 12. Aug 2022, 09:06

ille ego qui hat geschrieben:Aber ein Stümper ist er natürlich gerade nicht!

Lieber ille,

mir ist klar, dass A. natürlich kein „Stümper“ ist, das ist ja auch ein starkes Wort, obwohl er für meine Begriffe bisweilen schon übertrieben bombastisch und artifiziell formuliert (gestern zB.: septem savia suavia et unum blandientis adpulsu linguae longe mellitum). Das hat zT schon komödiantische Züge. Aber vielleicht ist genau das auch beabsichtigt. Aber gut! Was ist denn das A.' sprachliches Asset? Warum ist er gerade kein Stümper? Kannst du das kurz erläutern?
Zuletzt geändert von iurisconsultus am Fr 12. Aug 2022, 09:17, insgesamt 1-mal geändert.
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aequum licet statuerit, haud aequus fuit.
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Re: Apuleius

Beitragvon marcus03 » Fr 12. Aug 2022, 09:12

cf:
Der Stil des Apuleius von Madaura : ein Beitrag zur Stilistik des Spätlateins
Bernhard, Max
Verlag: Verlag von W. Kohlhammer, Stuttgart, 1927


Der Stil des L. Apuleius: Ein Beitrag zur Kenntniss des Sogenannten Afrikanischen Lateins (Classic Reprint) Taschenbuch – 1. Mai 2018
von Heinrich Koziol (Autor)
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Re: Apuleius

Beitragvon ille ego qui » Fr 12. Aug 2022, 09:25

Salve, iurisconsulte,

ich bin kein Experte für den Stil von Apuleius (ich habe ihn zwar teilweise - und "Amor und Psyche" zweimal - mit großem Genuss gelesen).
Was ist meinte, war eher so gemeint (und nicht speziell auf Apuleius gemünzt):

Wenn man sagt, dass eine bestimmte sprachliche Entscheidung GEGEN das Korrekte (oder Sinnvolle) getroffen wurde NUR (!!!) aus metrischen Gründen, dann attestiert man dem Autor nolens volens Stümperei. Und davon würde ich ohne triftige Gründe zunächst nicht ausgehen ...
Ille ego, qui quondam gracili modulatus avena
carmen et egressus silvis vicina coegi,
ut quamvis avido parerent arva colono,
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Re: Apuleius

Beitragvon iurisconsultus » Fr 12. Aug 2022, 09:35

Danke Markus und ille!

Dem zitierten „Gatis-Reader“ sind einige Ausführungen zum Stil vorangestellt. Da es möglicherweise auch andere interessiert, kopiere ich die Worte herein:
The Latin style of Apuleius can perhaps be best characterized with the term amplificatio. He is fond of describing ordinary things with elaborate pleonasm. Although Apuleius tends to avoid elaborate periodic sentences in the manner of Cicero, at times it can be easy to lose the thread of the narrative in the midst of descriptions and specifications. Rhetorical effects, such as alliteration and assonance, parallelism and rhythm, anaphora, antithesis and hyperbole abound in the story. In addition, Apuleius is fond of using unusual words, archaisms and colloquialisms, and in using ordinary words in unusual ways, even changing the gender of nouns in a number of instances. These aspects of Apuleius’ language have been studied thoroughly by L. Callebat, who argues that Apuleius’ mannered use of vocabulary, word order and syntax is part of an effort to create a new poetic prose.
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Re: Apuleius

Beitragvon ille ego qui » Fr 12. Aug 2022, 10:32

Vorläufig sind wir an dem Punkt, dass wir inquieta als adverbiellen Akk. sehen. Vermutlich handelt es sich hier um einen Gräzismus, der möglicherweise dadurch begünstigt wird, dass kurz davor schon ein normales Adverb steht. Speziell in dichterischer Sprache ist diese Art des Adjektivs nicht so selten, und Apuleius scheint mir, wiewohl natürlich kein Dichter, doch Anleihen aus der Dichtersprache zu nehmen.
Wörtlich kann man das natürlich nicht übersetzen, aber wie soll man das auch, wenn es sich um einen Spezialfall eines Adverbs handelt und die Zielsprache gar keine eigene Form für von Adjektiven abgeleitete Adverbien besitzt.


In der Tat. Man hat bei Apuleius geradezu den Eindruck, er schreibe Poesie (oft überaus dichterische Sprache) in Prosa.
(Nebenbei: Dass Dichtung geradezu ein Synonym ist für Versliteratur, ist ein Sprachgebrauch, den man heute außerhalb der Altphilologie kaum mehr antrifft.)
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Re: Apuleius

Beitragvon Sapientius » Fr 12. Aug 2022, 10:40

Rhetorical effects, such as alliteration and assonance, parallelism and rhythm, ... abound in the story.


Genau das will ich sagen, wir haben es mit "Kunstprosa" zu tun, dazu gehören die rhythmischen Satzschlüsse (Klauseln). Nehmt nur Cicero: " ... abutere patientia nostra ...", warum gebraucht er hier die Nebenform utere statt uteris? Weil er eine Kürze braucht, um den Doppelkretikus hinzubekommen.

Und so ist es auch bei Apuleius, er verwendet hier diese von Vergil geheiligte originelle Form auf Kurz-a, weil das vom Versschema erforderlich ist.

Um noch mal auf unvollständige Markierung in der Grammatik zu kommen: weitere Beispiele: amico ist unvollständig markiert, weil es nicht zwischen Dativ und Ablativ unterscheidet; amicorum wegen des Genus; venit ist nur graphisch unvollständig. Es ist nützlich, das zu erkennen, es verhilft uns dazu, besser zu übersetzen und zu verstehen.
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Re: Apuleius

Beitragvon ille ego qui » Fr 12. Aug 2022, 10:53

Und so ist es auch bei Apuleius, er verwendet hier diese von Vergil geheiligte originelle Form auf Kurz-a, weil das vom Versschema erforderlich ist.


Wer weiß ... Möglich :)

Vorsicht! Kein Versschema!

Übrigens verwendet Apuleius auch hexametrische Schlüsse.
(Ob Absicht, wage ich nicht zu beurteilen. Kann aber natürlich gut sein.)

Genau das will ich sagen, wir haben es mit "Kunstprosa" zu tun, dazu gehören die rhythmischen Satzschlüsse (Klauseln). Nehmt nur Cicero: " ... abutere patientia nostra ...", warum gebraucht er hier die Nebenform utere statt uteris? Weil er eine Kürze braucht, um den Doppelkretikus hinzubekommen.


Hier liegt bereits ein katalektischer Dikretikus vor. Evtl. müsste man da noch mal "in die Terminologie reingehen" ... :)
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Re: Apuleius

Beitragvon Sapientius » Di 23. Aug 2022, 09:53

Mit Aeneas durch die Unterwelt wandernd, begegnet uns (6:288) die Lernäische Schlange, "horridum stridens", schrecklich fauchend, da haben wir diesen Akkusativ, diesmal im Singular, und das Adverb hätte auch in den Vers gepasst. Als hätte er sagen wollen: "horridum stridorem stridens".
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Re: Apuleius

Beitragvon ille ego qui » Mi 24. Aug 2022, 10:24

Salve, Sapienti,

aqua mihi haeret, ut aiunt ...

Ich finde die Stelle nicht. Nur diese:

Lucius Annaeus Seneca iunior, Dialogi 5.3.6.9

haec instrumenta conlocetur ira dirum quiddam atque
horridum stridens
, omnibus per quae furit taetrior.


Das scheint mir ziemlich scharf an der Grenze zwischen adverbialem Akkusativ und Akkusativobjekt.
(Ich muss, nebenbei, an Verben wie "sonare (klingen nach)" **, "redolere (riechen nach)", "sapere (schmecken nach)" etc. denken, von denen auch häufig ein Akkusativ abhängt.)


_______________
**
Publius Vergilius Maro, Aeneis 1.328

o quam te memorem, uirgo? namque haud tibi uultus
mortalis, nec uox hominem sonat; o, dea certe
an Phoebi soror? an Nympharum sanguinis una?,
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