Demonstrativpronomen

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Re: Demonstrativpronomen

Beitragvon marcus03 » Sa 31. Jul 2021, 11:29

Wem = der, dem
Ein indirekter FS müsste von einem entsprechenden Verb abhängen. So eins gibt es hier nicht.
Es ist ein Subjektssatz, der wie ein FS aussieht, wenn man WEM nicht genauer analysiert.
vgl.
Wer das glaubt, irrt. Wer = der(jenige), der (wieder ein Subjektssatz, der wie ein FS aussieht)
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Re: Demonstrativpronomen

Beitragvon iurisconsultus » Sa 31. Jul 2021, 11:58

Danke marcus, ganz klar ist mir das noch immer nicht, wenn man die drei Sätze gegenüberstellt und weiß, dass Satz 1 laut Duden Schulgrammatik (https://shop.duden.de/products/duden-sc ... ra-deutsch) ein indirekter Fragesatz sein soll. Aber lass es uns nicht zu weit treiben. :)

1. Wer das getan hat, soll sich melden (indirekter Fragesatz)
2. Wer das glaubt, irrt (Relativsatz?)
2. Wem das nicht passt, soll vortreten (Relativsatz?)

Mir scheint für Duden sind das alles Fragesätze (wer/wem - Interrogativpronomen). Anders wäre es nur, wenn stünde:

1/2. Derjenige, der das getan hat/glaubt, der …
3. Derjenige, dem das nicht passt, der …

LG
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Re: Demonstrativpronomen

Beitragvon iurisconsultus » Sa 31. Jul 2021, 12:56

Ich hab‘ jetzt den großen Duden konsultiert. Da schaut die Sache wieder anders aus:
Wer den Unfall beobachtet hat, soll sich bei der Polizei melden.
Form: Pronominalnebensatz; Funktion: Subjektnebensatz; Semantik: Relativsatz

Duden, Grammatik, 9. Auflage (2016) S. 1037
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Re: Demonstrativpronomen

Beitragvon Tiberis » Sa 31. Jul 2021, 21:28

iurisconsultus hat geschrieben:1. Wer das getan hat, soll sich melden (indirekter Fragesatz)


Das ist niemals ein indirekter Fragesatz, da indirekte Fragesätze Objektsätze sind. Hier aber handelt es sich ganz eindeutig um einen Subjektsatz ( "wer das getan hat" = der Täter)
Anders jedoch bei einem Satz wie "Wer das getan hat, weiß niemand" . Das ist natürlich ein ind. FS.
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Re: Demonstrativpronomen

Beitragvon iurisconsultus » So 1. Aug 2021, 09:04

Das macht Sinn Tiberis. :)

Die zitierte Schulgrammatik ist in dem Punkt fehlerhaft, was umso lustiger ist als die Duden-Grammatik selbst sagt, dass Relativsätze und indirekte Fragesätze oft verwechselt werden. :-D
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Re: Demonstrativpronomen

Beitragvon Sapientius » So 1. Aug 2021, 09:50

Das ist niemals ein indirekter Fragesatz, da indirekte Fragesätze Objektsätze sind.


Tiberis, bist du sicher? Bei "Es ist unklar, ob ..." ist der indirekte Fragesatz Subjektsatz!

Der Unterschied der beiden Satzarten ist eigentlich klar: beide haben eine Leerstelle (Pronomen, Variable), die unterschiedliche Funktionen haben: beim Relativsatz sollen wir einen vorher genannten Namen einsetzen, das Pronomen erspart die Wiederholung des Namens; bei der direkten Frage ist mit dem Pronomen die Aufforderung verbunden, einen Namen in die Leerstelle einzusetzen: "Wer soll das bezahlen?". Wenn die Frage indirekt ist, dann fällt die Aufforderung weg, die Leerstelle bleibt offen: "Niemand weiß, wer das bezahlen soll".

Ein Tipp wäre: bei Relativsätzen kann man auch "quicumque" einsetzen, also einen generellen Relativsatz annehmen; oder: "Derjenige, der das getan hat, ... " (1.),
und beim Fragesatz kann man herauslösen: "Wer hat das getan?", mit Fragezeichen.

Die beiden Satzarten überschneiden sich; ich würde nicht von Verwechslung sprechen.
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Re: Demonstrativpronomen

Beitragvon Tiberis » So 1. Aug 2021, 13:12

Sapientius hat geschrieben:Bei "Es ist unklar, ob ..." ist der indirekte Fragesatz Subjektsatz!


Da muss ich dir ausnahmsweise :D zustimmen, optime Sapienti.
Bei unpersönlichen Ausdrücken wie "es ist unklar, es ist nicht gewiss" etc. nimmt der ind., FS naturgemäß die Funktion des Subjekts ein. Aber davon abgesehen wohl nicht.
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Re: Demonstrativpronomen

Beitragvon ille ego qui » Mo 2. Aug 2021, 08:49

marcus03 hat geschrieben:vgl:
Wem das nicht passt, soll vortreten!
Wen du meinst, weiß der Kuckuck!
Wessen Handy das ist, ist unbekannt.
Von wem das stammt, weiß niemand.

Was spricht dagegen? Holpert das wirklich? Du bist der Germanist! :wink:

Gefunden im Netz:
„Wem das nicht passt, hat das Recht und die Möglichkeit, das Land zu verlassen“ (Walter Lübcke)


Das erste Beispiel empfinde ich tatsächlich als holprig. Die weiteren sind ja, wie gesagt, indirekte Fragesätze ;)
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Re: Demonstrativpronomen

Beitragvon ille ego qui » Sa 23. Okt 2021, 14:27

Cicero Pro Murena

[42] Quid tua sors? Tristis, atrox, quaestio peculatus ex altera parte lacrimarum et squaloris, ex altera plena accusatorum atque indicum; cogendi iudices inviti, retinendi contra voluntatem; scriba damnatus, ordo totus alienus; Sullana gratificatio reprehensa, multi viri fortes et prope pars civitatis offensa est; lites severe aestimatae; cui placet obliviscitur, cui dolet meminit. Postremo tu in provinciam ire noluisti. Non possum id in te reprehendere quod in me ipso et praetore et consule probavi. Sed tamen L. Murenae provincia multas bonas gratias cum optima existimatione attulit. Habuit proficiscens dilectum in Vmbria; dedit ei facultatem res publica liberalitatis, qua usus multas sibi tribus quae municipiis Vmbriae conficiuntur adiunxit. Ipse autem in Gallia ut nostri homines desperatas iam pecunias exigerent aequitate diligentiaque perfecit. Tu interea Romae scilicet amicis praesto fuisti; fateor; sed tamen illud cogita non nullorum amicorum studia minui solere in eos a quibus provincias contemni intellegunt.
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Re: Demonstrativpronomen

Beitragvon Sapientius » Sa 23. Okt 2021, 16:45

"Holpern" ist kein grammatischer Begriff, das ist eine unbefriedigende Ausdrucksweise, terminologische Sauberkeit wäre anzustreben. Man könnte so sagen: "Abh. Fragesätze können auch als Relativsätze fungieren; "fungieren" im Sinne von "wirken als etwas anderes als was es ist".

Bei Cic. Mur: "cui" im Sinne von "is, cui", nach dem Schema "qui" = "is, qui".
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Re: Demonstrativpronomen

Beitragvon ille ego qui » Sa 23. Okt 2021, 17:21

Abh. Fragesätze können auch als Relativsätze fungieren


Gib dafür mal ein Beispiel. Darum ging es hier nicht, oder??

Mit "Holpern" meine ich eine am Üblichen knapp vorbeigehende Ausdrucksweise, die Muttersprachler (wahrscheinlich) in ihrer Mehrheit irritieren würde. Eine empirische Linguistik, die zb mit Umfragen arbeitet, könnte mit einer solchen Kategorie durchaus arbeiten. Der wissenschafte Ausdruck lautet freilich "markiert".

Welche syntaktischen Ursachen mir einige der der hier diskutierten Fälle eben "markiert" erscheinen ließen, habe ich / haben wir ja durchaus angedeutet. Ob die Einschätzung bzgl des Lateinischen vielleicht voreilig war, steht auf einem anderen Blatt ...

;)
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Re: Demonstrativpronomen

Beitragvon Tiberis » Sa 23. Okt 2021, 19:14

Sapientius hat geschrieben:"Abh. Fragesätze können auch als Relativsätze fungieren; "fungieren" im Sinne von "wirken als etwas anderes als was es ist".

Bei Cic. Mur: "cui" im Sinne von "is, cui", nach dem Schema "qui" = "is, qui".


cui placet, obliviscitur ist kein abh. Fragesatz und "fungiert" somit auch nicht als Relativsatz, sondern ist ein solcher.
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Re: Demonstrativpronomen

Beitragvon Sapientius » So 24. Okt 2021, 15:46

cui placet, obliviscitur ist kein abh. Fragesatz und "fungiert" somit auch nicht als Relativsatz, sondern ist ein solcher.


Bis zum und bin ich ganz einverstanden.

Wir haben ein Pronomen für zwei Satzarten, oder anders gesagt, das Pronomen ist zweideutig. Wenn wir sagen: "Das ist ein Relativsatz", dann ist das ganz richtig, aber nicht ganz vollständig; vollständig ausgedrückt könnte man sagen: "Das an sich zweideutige Pronomen fungiert hier eindeutig als Relativum".

Das "Fungieren als" soll als Vorschlag gemeint sein, man kann sich auch anders ausdrücken; die unvollständige Bestimmtheit von grammatischen Gegenständen begegnet uns ja oft genug, amici Sing. oder Plural, das reiche Spektrum des Ablativs, das Puzzlespiel der Satzkonstruktion; die Sprache lässt vieles offen ("unmarkiert"), was die Grammatik mit dem Ziel der Verständlichkeit abzurunden versucht.
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Re: Demonstrativpronomen

Beitragvon Tiberis » So 24. Okt 2021, 16:48

Zur Erinnerung, lieber Sapientius: Du hast geschrieben:"Abh. Fragesätze können auch als Relativsätze fungieren, was naturgemäß nicht zutrifft. Jetzt versuchst du, dich mit Hilfe von ein paar Nebelgranaten da herauszuwinden. :D Dass das Pronomen "cui" mehrere Funktionen erfüllen kann, ist ja vollkommen unstrittig.
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