Salvete,
Für ein Adverbial (eine freie Angabe also) sollte es keine Rolle spielen, welche Funktion die vom Verb regierten Objekte übernehmen und inwiefern diese durch das Präverb bestimmt wird
Das ist richtig, aber ob der bloße Akkusativ überhaupt als Adverbiale zu verstehen ist, hängt maßgeblich sowohl von der Valenz des transire als auch insbesondere vom eigentlichen Lexem ab, das den Akkusativ ausmacht. Wenn ein Akkusativobjekt steht, ist eine Richtungsergänzung wie Romam nicht möglich, ein Adverbial Romam i.e.S. ist in keinem Satz möglich.
Generell kann man grob zwischen folgenden beiden Fällen unterscheiden:
I. transire als Transitivum: überqueren, über etwas gehen:
der bloße Akkusativ ist das Objekt. Es handelt sich dabei i.d.R. um ein natürliches Hindernis, etwa einen Fluss. Diese Konstruktion ist aus dem bereits dargestellten Präverbierungsprozess entstanden.
II. durch Verzicht auf ein direktes Objekt entsteht ein transire als Intransitivum:
hin(über)gehen
Dass eine solche Intransitivierung sekundär ist, ursprünglich also immer ein Objekt vorhanden war, wird dann deutlich, wenn man bedenkt, dass trans erst bei den Späteren als eigentliches Adverb gebraucht wird, vorher aber nur als Präposition oder Präverb, ein hin(über)gehen also keines Akkusativobjektes mehr, sondern einer Richtungsergänzung bedurfte, sobald der o.g. Prozess eingetreten war. A priori kann es also kein trans (Adverb) und Ire gegeben haben (intrans.), sondern nur ein transire ohne Objekt.
Die Entscheidung über Fall I oder II, also über die Bedeutung des Verbs, legt (für den Schreiber) die Wertigkeit und die Ergänzungen oder Erweiterungen eines transire fest, diese letzteren aber legen (für den Leser) die Bedeutung des transire fest!
Eine Stadt als Zielpunkt wird bei transire besonders dann stehen können, wenn es intransitiv ist.
Der zweite Fall wurde für den Römer nur möglich, da sich die Bedeutung von transire zu einer intransitiven verschoben hatte und ein bloßer Akkusativ als Richtungsergänzung nicht zu allzu großer Ambiguität führte, weil ein Städtename oder ein erstarrtes domum nicht so gut mit einer Bedeutung vereinbar wäre, wie sie ein Substantiv haben müsste, das als Akkusativobjekt nach der Präverbierung fungiert, also etwa ein Fluss. Es gibt allerdings auch für solche Fälle Beispiele, Formias transire, wo die Stadt Objekt ist. Die Fälle sind in der sprachlichen Praxis natürlich nicht absolut und ausschließlich.
flumen transire = "über den Fluss gehen", den Fluss überqueren
per Romam transire = durch (das Stadtgebiet von) Rom (hindurch) gehen
aber auch Formias transire = F. durchschreiten
Romam transire = nach Rom (hinüber) gehen
Einen Dank für die vielen Stellen,
LG,
Sokrates