Salvete,
dass in der Nachzeit der Klassik (bis ins Neulateinische) die Sprachstufe eingefroren wurde (und "neue Regeln" eher als eigene Fehler zu deuten sein dürften), um von jeder Generation aufs neue zum Leben erweckt zu werden, freilich ohne dass dabei die Vollendung des Idiolekts Cicero erreicht worden wäre, ist offensichtlich.
Was den Konjunktiv im indirekten Fragesatz betrifft, ist er zu Ciceros Zeiten voll ausgebildet und grammatikalisiert, ganz im Sinne der Meinungswiedergabe Dritter, was sich in der Verwendung als Coni. obl. mit bzw. innerlicher Abhängigkeit äußert. Nur ist diese Semantik des Konjunktivs eine auf Nebensätze beschränkte, die sich in der Entwicklung der Unterordnung der Frage und überhaupt aller Sätze erst ausbilden musste.
Ihren Ausgangspunkt hat diese Art des Konj. in dessen ursprünglichen semantischen Funktionen, wie sie im Hauptsatz (der Aussage und Frage) vorkommen, also etwa Potentialis, Dubitativ, Jussiv, Coni. indignationis.
Diese wurden in o.g. neue Bedeutung eines "prototypischen" indirekten Fragesatzes umgedeutet und generalisiert.
Im Altlatein (und wieder im Spätlatein) ist der Indikativ noch ganz lebendig, wenn auch nie vorherrschend (soweit uns durch Inschriften und die Szenikerüberliefert).
Cf. LHS, § 294, a, α- δ; b
4 Fälle des Indikativ werden unterschieden, u.a. der nach "vifen" etc., die als halbinterjektionale Hinweise auf den folgenden Fragesatz gedeutet werden, als affektiver Ausruf vor einer indikativischen Frage, ein Gebrauch, der auch bei Cicero zu finden sei, Cic. Att. 1, 1, 4: viden... in quo curse sumus?. Der Konjunktiv wurde natürlich regelmäßig, aber auch in der Klassik finden sich sonderbare Indikative, die sich nicht leicht in die 4 Fälle einordnen lassen.
Harm Pinkster, Oxoford Latin Syntax I,
7.133 "In indirect questions, the subjunctive is the statistically dominant mood in all periods of Latin"
Der Konsekutiv wird aus den Hauptsatzsemantiken hergeleitet (s.o.)
7.134 auch hier wie er Indikativ festgestellt, und zwar in 3 Fällen,
i) 1. Person von bestimmten Verben wie quaero, rogo, volo scire
ii) 2. Person in Sätzen mit "illocutionary force"
iii) nach Imperativen wie dic mini
dagegen stehe nach o.g. durchaus auch der Konjunktiv, sofern es sich beim Prädikat des Hauptsatzes um eines handelt, das eine echte Frage, also den Wunsch nach Information, impliziert.
7.137 Hier wird festgestellt, dass es bemerkenswert ist, dass eine recht kleine Gruppe mit "gerechtfertigten" Konjunktiven die größere Gruppe der Indikative im ind. Fragesatz hat verdrängen können. Auch hier wird darauf verwiesen, dass sich die Verhältnisse nachantik umkehren.
ähnlich KSt § 227, bes. 3 a und b, 4 a und b!
mehr synchron sind Christian Tournier, Lateinische Grammatik, § 548, in dem der Konjunktiv im ind. Fragesatz als Signifikant des Subordinationsmorphems bezeichnet wird, der zum einen spätlateinisch schwinde, zum anderen mit dem Möglichkeitsmorphem (als Potentialis, Dubitativ) zusammenfallen könne.
Friedrich Heberten, Lateinische Syntax 2, (Skript) äußer sich an verschiednen Stellen ähnlich,
Calboli (Die Modi des lateinischen und griechischen Verbums, Lustrum Band 54, S. 97- 110) führt viele zusammen und referiert auf die Montague-Grammatik, dies sprengt hier den Rahmen und hat keine Berechtigung für unserer Frage hier.
Vielleicht hilft das weiter?
LG, Sokrates