attributives Gerundiv

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attributives Gerundiv

Beitragvon marcus03 » So 15. Jun 2014, 09:54

Bei Terenz bin ich auf diese Konstruktion gestoßen:

quod illa aetas magis ad haec utenda idoneast,

http://www.thelatinlibrary.com/ter.heauton.html
(Vers 133)

Meine Frage dazu:
Warum kann UTI hier mit Akk. verwendet werden ? Ist das bei dieser Konstruktion grundsätzlich möglich ?
Anders gesagt: Darf beim Gerundiv der sonst übliche Casus des Objekts immer angepasst/"abgeändert" werden ?
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Re: attributives Gerundiv

Beitragvon RM » So 15. Jun 2014, 10:14

Vielleicht verstehe ich die Frage nicht, aber da steht doch ein "ad" davor, oder? Das erklärt jedenfalls den Akkusativ. Ansonsten wird "utenda" hier auch nicht anders verwendet als sonst.

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Re: attributives Gerundiv

Beitragvon marcus03 » So 15. Jun 2014, 10:26

RM hat geschrieben:Vielleicht verstehe ich die Frage nicht, aber da steht doch ein "ad" davor, oder?


Aber UTI regiert den Ablativ. Also müsste es eigentlich "ad his utenda lauten", was aber nicht möglich/falsch ist. Zudem scheidet "ad his utendum" aus, weil nach Präpositionen immer Gerundiv stehen muss.
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Re: attributives Gerundiv

Beitragvon RM » So 15. Jun 2014, 10:50

Nein, uti regiert den Ablativ nicht unbedingt in solchen Gerundivkonstruktionen, von denen es einige gute Belege gibt, z. B. auch bei Cicero:
..., omnia utenda ac possidenda tradiderat, ...
(Cic, Ver, 2, 2, 46)
Außerdem müsste es sonst ad his utendum heißen. So wurde es aber anscheinend nicht verwendet.

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Re: attributives Gerundiv

Beitragvon consus » So 15. Jun 2014, 10:58

RHH § 175, Besonderheiten, S. 205f.
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Re: attributives Gerundiv

Beitragvon marcus03 » So 15. Jun 2014, 11:18

Maximas gratias vobis ago. Res tamen tota quodam modo inconstans et "illogica" mihi videtur.
Lingua quidem semper plene logica non est.
Warum kann man z.B. nicht sagen: Dolus utendus est statt Dolo utendum est. Was dem präpositionalen
Gerundiv (=Iovi ) erlaubt ist, ist dem prädikativen (= bovi) verboten. :verwirrt:

Talis est linguae natura. ;-)
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Re: attributives Gerundiv

Beitragvon Medicus domesticus » So 15. Jun 2014, 11:27

Zum Thema im BS auch nachzulesen unter § 510 (5) gegen Ende und im § 511 (2)[unpersönlicher Gebrauch von uti etc.].
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Re: attributives Gerundiv

Beitragvon Prudentius » So 15. Jun 2014, 16:03

uti geht auch mit Akk., s. Georges! Der Römer bevorzugt die kongruenten Konstruktionen, also "urbe condenda" vor "urbem condendo", und bei "ad urbem condendum" würde er wohl eine Gänsehaut bekommen. Daher sagt er lieber ad haec utenda.
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Re: attributives Gerundiv

Beitragvon Zythophilus » So 15. Jun 2014, 16:29

Das Verb uti wurde ursprünglich mit Akk. konstruiert, und davon haben sich in klassischer Zeit einige Reste erhalten, gerade dort, die Konstruktion des Gerundiums bzw. Gerundivs mit Abl. umständlich wäre.
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Re: attributives Gerundiv

Beitragvon ille ego qui » Mo 16. Jun 2014, 16:14

eine mir neue erklärung des phänomens, zythophile. trifft sie auch zu für die anderen deponentien, die den abl. regieren (frui etc.), welche ja ebenfalls wider die logik im attributiven gerundiv auftreten können?
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carmen et egressus silvis vicina coegi,
ut quamvis avido parerent arva colono,
gratum opus agricolis, at nunc horrentia Martis
arma virumque cano ...
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Re: attributives Gerundiv

Beitragvon Zythophilus » Mo 16. Jun 2014, 16:47

Auch fruor gibt es mit Akk.Obj. und daher auch mit attr. Gerundiv. http://www.zeno.org/Georges-1913/A/fruor?hl=fruor
Ich vermute - ich habe es auch irgendwo gelesen - eben, dass diese Variante den älteren Gebrauch dieser Verben und nicht eine bloße Parallele, die seltener vorkommt, darstellt. Die sehr praktische Konstruktion mit dem attr. Gerundiv scheint sich länger zu halten. Die Konstruktion ad + Gerundium + Abl.Obj. wirkt schwerfällig.
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Re: attributives Gerundiv

Beitragvon Medicus domesticus » Mo 16. Jun 2014, 18:56

Zythophilus hat geschrieben:Ich vermute - ich habe es auch irgendwo gelesen - eben, dass diese Variante den älteren Gebrauch dieser Verben und nicht eine bloße Parallele, die seltener vorkommt, darstellt...

Im von consus angegebenen RHH-Paragraphen steht´s auch:
Die (im Altlatein zwar vielfach den Akk., gewöhnlich aber) den Ablativ "regierenden" Deponentien" uti, frui, fungi, vesci und potiri werden in der Gerundivkonstruktion außer im Nom....als Transitiva behandelt.
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Re: attributives Gerundiv

Beitragvon RM » Mo 16. Jun 2014, 22:41

Außer für uti gibt es nur für frui ausreichend viele Beispiele, um die transitiven Gerundivkonstruktionen zu untermauern, aber die reichen auf jeden Fall aus. Man kann das zwar u. U. mit einem früher gebrauchten Akkusativobjekt versuchen zu erklären, aber ich würde sagen, dass da einfach der typisch römische Pragmatismus zuschlägt.
Auf der anderen Seite ist die Aussage, dass uti und frui im alten Latein mit Akkusativobjekt verwendet wurden, nur bedingt richtig. Das gab es zwar (z. B. bei Accius und Cato in Verbindung mit Pronomina, aber uti steht z. B. bei Plautus mit Abl.), aber es war nicht flächendeckend einheitlich.

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Re: attributives Gerundiv

Beitragvon consus » Di 17. Jun 2014, 08:26

RM hat geschrieben:...Auf der anderen Seite ist die Aussage, dass uti und frui im alten Latein mit Akkusativobjekt verwendet wurden, nur bedingt richtig. ...
Wohl wahr, deshalb lesen wir im RHH (a.a.O.) auch "im Altlatein zwar vielfach* den Akk...."
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Re: attributives Gerundiv

Beitragvon Medicus domesticus » Di 17. Jun 2014, 08:48

RM hat geschrieben:...,aber uti steht z. B. bei Plautus mit Abl.

Nein, auch nicht immer. Ein Beispiel ist bei Plautus z.B. im Poenulus 1088 zu finden:
profecto uteris , ut voles, operam meam.
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