Fehler bei Cicero in der consecutio temporum?

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Fehler bei Cicero in der consecutio temporum?

Beitragvon Penthesilea » So 8. Jun 2014, 11:35

Nein, Cicero hat sicher keine grammatikalischen Fehler begangen, cari sodales. Deshalb bin ich Euch dankbar, wenn Ihr mir bei den folgenden Sätzen aus Pro Archia poeta oratio auf die Sprünge helft:

1) "Metellus [...] tanta diligentia fuit, ut [...] ad iudices venerit [...] et dixerit."

Im Unterricht habe ich gelernt, dass nach einem Nebentempus im Hauptsatz (hier fuit, also Perfekt) für die Gleichzeitigkeit im Gliedsatz Konjunktiv Imperfekt verwendet werden muss. Aber Cicero kombiniert fuit mit Konjunktiv Perfekt. Ich hätte erwartet: ut ad iudices veniret et diceret. Habe ich etwas falsches gelernt? :?

2) "Si qui foederatis civitatibus ascripti fuissent, si tum, cum lex ferebatur, in Italia domicilium habuissent [...]."

Wieso verwendet er hier ascripti fuissent (und ist das eine coniugatio periphrastica? Aber es ist ja kein Irrealis in der Abhängigkeit?).
Und wieso Konjunktiv Plusquamperfekt mit habuissent? Im si-Satz würde das ja für einen Irrealis der Vergangenheit sprechen. Oder steht hier alles im Konjunktiv, weil es indirekte Rede darstellen soll? Mir scheint allerdings, Cicero gibt hier ein direktes Zitat wieder. Ich hätte also alles in den Indikativ gesetzt: ascripti erant... si tum habebant.
Oder allenfalls gleich in den Potentialis (falls sie eingeschrieben sein sollten und den Wohnsitz haben dürften....): si ascripti sint und habeant. O je... :-o

Vielen Dank im Voraus für Eure Hilfe! Ich bereite mich nämlich anhand dieser Rede auf die Prüfung in den Stilübungen vor und freue mich über alle Tipps zu diesen Sätzen.
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Re: Fehler bei Cicero in der consecutio temporum?

Beitragvon RM » So 8. Jun 2014, 11:50

1. Ja, so etwas geht bei Konsekutivsätzen (s. z. B. Rubenbauer Hofmann § 231.1).
2. das "cum lex ferebatur" würde man evtl. als "Anm. d. Red." in einer modernen Zeitung finden. Und warum sollte der Rest nicht Konj. Plquperf. sein? Ist einfach ein Irrealis der Vergangenheit als Formulierung eines hypothetischen Vorgangs.

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Re: Fehler bei Cicero in der consecutio temporum?

Beitragvon Prudentius » Mo 9. Jun 2014, 08:12

1. Wenn ich mal versuche, es plausibel zu erklären: zuerst frage ich mich, ob Cic. sich im HS oder im NS mit dem Tempus vertan hat :-D ? Du sagst, er hätte veniret schreiben müssen; aber vllt. ist das fuit anders zu verstehen; es sind ja hier nicht wie bei der CT gewöhnlich zwei Handlungselemente verbunden; wir haben ja im HS eine Charaktereigenschaft, ein Bild seiner Persönlichkeit; und bei Bildern changiert Gegenwart mit Vergangenheit: "Napoleon hält das Zepter in der Hand"; ich könnte mir also vorstellen: der HS ist als Gegenwart "gefühlt", und dann sind die Aktionen im NS vorzeitig. Kj, Perf.
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Re: Fehler bei Cicero in der consecutio temporum?

Beitragvon consus » Di 10. Jun 2014, 16:28

Penthesilea hat geschrieben:... Prüfung in den Stilübungen vor und freue mich über alle Tipps zu diesen Sätzen.
Salve, Penthesilea! Oro te legas diligenterque perpendas (ut alia omittam) quid Burkard & Schauer de illa re grammatica scripserint: § 465, 1 - 8.
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