Aussprache ae wohl doch ä

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Aussprache ae wohl doch ä

Beitragvon Narcissus » So 27. Apr 2014, 12:11

Salvete liebe Mitlateiner,

ich melde mich nach längerer Abstinenz auch mal wieder. Grund dafür ist, dass der sog. pronuntiatus restitutus wohl zumindest bei den Diphthongen revidiert werden muss.
Ein mir bekannter Sprachwissenschaftler wird in Kürze einen Aufsatz dazu veröffentlichen, den ich vorab schon korrekturlesen durfte.
Ich darf nicht zuviel der Argumentation verraten, aber es läuft darauf hinaus, dass sich die Anzeichen häufen, dass das griechische αι wohl spätestens ab dem sechsten Jahrhundert bereits als Monophthong ä gesprochen wurde, wie heute im Neugriechischen. Die lautliche Entsprechung des αι als lateinisches ae ist ja hinreichend belegt.
Das οι wurde wohl als Laut zwischen i und ü gesprochen (siehe auch die berühmte Stelle bei Thukydides II, 54, 3-5).

Mit freudiger Erwartung auf eure Reaktionen (ich weiß gar nicht, welche Meinung dazu hier vorherrscht)
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Re: Aussprache ae wohl doch ä

Beitragvon RM » So 27. Apr 2014, 12:19

Das ist nichts Neues! Die Diphtonge ae und oe wurden bereits im 2. Jhdt. n. Chr. wie e gesprochen, das ph wie f. Wer ist denn derjenige, der das jetzt ganz neu herausgefunden haben will? Es reicht, Veikko Väänänens Publikation "Le Latin Vulgaire des Inscriptions Pompéiennes" zu lesen, um mehr darüber zu erfahren.

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Re: Aussprache ae wohl doch ä

Beitragvon Laptop » So 27. Apr 2014, 12:26

Die Frage der lautlichen Wandlung ist ja nicht ob, sondern ab wann. Wenn man die Zeitlinie etwas richtung Vergangenheit verschieben kann, dann wäre das schon eine Neuheit. Konkret kann man z. B. fragen wie die Menschen in Pompeji zur Zeit des Vesuvausbruchs das "ae" gesprochen hatten.
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Re: Aussprache ae wohl doch ä

Beitragvon Narcissus » So 27. Apr 2014, 12:40

Ich spreche natürlich vom sechsten Jahrhundert vor Christus.
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Re: Aussprache ae wohl doch ä

Beitragvon RM » So 27. Apr 2014, 12:56

Sorry, aber das ist Unsinn. :(
Dein Bekannter stammt nicht etwa aus Frankfurt?

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Re: Aussprache ae wohl doch ä

Beitragvon Narcissus » So 27. Apr 2014, 13:05

Ich möchte dazu noch nicht allzu viel verraten, aber mich würde interessieren, warum das Unsinn sein sollte?
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Re: Aussprache ae wohl doch ä

Beitragvon RM » So 27. Apr 2014, 13:26

Weil man natürlich leicht behaupten kann, dass ein "a" damals ganz anders klang, ein "i" und "e" ebenfalls. Wenn man aber sagt, dass ein "a" ungefähr wie ein modernes "a" ausgesprochen wird, dann kann man relativ leicht nachweisen, dass "ae" lange Zeit eher wie "ai" als wie "e" klang.
Falls Dein Bekannter aus Frankfurt stammt, richte ihm bitte nette Grüße von mir aus :wink:

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Re: Aussprache ae wohl doch ä

Beitragvon Narcissus » So 27. Apr 2014, 13:36

[quote]dann kann man relativ leicht nachweisen, dass "ae" lange Zeit eher wie "ai" als wie "e" klang./quote]
Dieser Nachweis eben würde mich interessieren.
Kann es sein, dass sich hinter RM ein gewisser Robert Maier verbirgt? :)
Dem "Frankfurter" kann ich gerne mitteilen, wie du zu der Sache stehst, und natürlich auch Grüße ausrichten.
Vielleicht sehen wir uns ja mal auf der ein oder anderen Lateinwoche in Freising, die du ja moderierst. Ich werde dann das ae aber stets wie ä aussprechen. :)
Grüße
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Re: Aussprache ae wohl doch ä

Beitragvon RM » So 27. Apr 2014, 14:22

Wie ich zu der Sache stehe, weiß er schon - wir haben darüber vor längerer Zeit schon einmal diskutiert.
Natürlich können wir uns gerne in Freising bei der Septimana Latina treffen :) Auch dort steht das Thema "Aussprache des Lateinischen" gelegentlich auf der Tagesordnung.

Was die Aussprache selbst angeht, sind die Hauptargumente natürlich die Transkriptionen lateinischer Wörter und Namen ins Griechische, Fehler in Inschriften und verschiedene lateinische Lesarten (z. B. zweisilbige -ai-Endungen in lateinischen Hexametern) usw. Man kann auch mal sehen, ob man bei Servius (De Finalibus) was findet oder bei anderen Grammatikern. Ich denke, um da an der gängigen Lehrmeinung zu rütteln, braucht man mehr als einige vage Indizien - auch wenn ich selbst sehr gerne gängige Lehrmeinungen immer wieder in Frage stelle.

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Re: Aussprache ae wohl doch ä

Beitragvon Narcissus » So 27. Apr 2014, 20:20

Warte erstmal den Aufsatz ab. Gerade auf die Grammatiker geht er sehr ausführlich ein. :)
Transkriptionen und Inschriften legen nahe, dass ae, ai, αι und η alle gleich ausgesprochen wurden, nicht aber dass sie wie ai in "Mai" gesprochen wurden.
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Re: Aussprache ae wohl doch ä

Beitragvon RM » So 27. Apr 2014, 20:58

Gerade die Transkriptionen legen nahe, dass ae und oe bis zum 1. Jhdt. n. Chr. in der Hochsprache anders ausgesprochen wurden als e oder i. Aber wie gesagt: über diese Sache haben wir schon diskutiert und es gibt einfach zu viele Gegenbeispiele.

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Re: Aussprache ae wohl doch ä

Beitragvon Laptop » Mo 28. Apr 2014, 15:47

6 Jhd. v. Chr? Da ist die Quellenlage so dünne, was soll es da neues geben? Aber ich höre mir gerne die Argumente an, man soll ja nicht voreingenommen sein.
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Re: Aussprache ae wohl doch ä

Beitragvon Tiberis » Mi 30. Apr 2014, 10:12

wenn der diphthong ae angeblich schon im 6.jh. v.Chr. (!) wie ä gesprochen wurde, dann müsste der herr aus Frankfurt aber auch erklären, wieso dann beispielsweise Lukrez , und zwar im 1. jh., immer wieder wörter an das versende setzt, in denen ebendieser vokal eindeutig zweisilbig gesprochen wurde (militia-i, aqua-i, materia-i u.v.a.) . man darf also gespannt sein. :roll:
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Re: Aussprache ae wohl doch ä

Beitragvon Medicus domesticus » Mi 30. Apr 2014, 19:47

Ich würde den Aufsatz mal abwarten. Eigentlich kann man zu diesem erst Stellung nehmen, wenn man ihn vor sich liegen hat. Dann wird er entweder zerlegt oder es ergeben sich tatsächlich neue Aspekte. Vorher ist eine Kritik nicht möglich.
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Re: Aussprache ae wohl doch ä

Beitragvon RM » Mi 30. Apr 2014, 20:22

Tja, da wäre ja eigentlich ein Ortstermin am 03.05. in Frankfurt-Ginnheim angebracht, wo das "Colloquium Latinum Francofurtense" stattfindet (Näheres hier: http://www.septimanalatina.org/txt/l/calendarium.html).

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