Erichtho bei Lucan

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Erichtho bei Lucan

Beitragvon SursumDeorsum » Mi 19. Mär 2014, 12:06

Salvete.

Bei der allmorgendlichen Lucanlektüre ist mir eine Szene besonders ins Auge gefallen, und zwar folgende:

Discolor et vario furialis cultus amictu
induitur, voltusque aperitur crine remoto,
et coma vipereis substringitur horrida sertis.

(6, 654-656)

Wir sehen hier das Scheusal Erichtho kurz vor der Totenbeschwörung in typisch römischer capite velato Haltung. Wie würdet ihr das interpretieren? Ein ironischer, wenn nicht sarkastischer Scherz Lucans? Sollte der Erichtho, der weder Götter noch Menschen heilig sind, gerade diese widerliche, für sie aber 'heilige' Handlung das passende Ambiente für eine solche Verhüllung sein? Wieso aber dann gerade der Bezug auf den römischen amictus? Sollte man da gar, wie es einer unser Dozenten gerne macht, eine zeitgeschichtliche Anspielung sehen (ein Beispiel unseres Dozenten: Vergils Salmoneus = Gallus, der als Statthalter von Ägypten über die Stränge schlägt, und dafür von Augustus in den Tartarus geschleudert wird :roll:)

Wie ist eure Meinung dazu?
Pangere non potuit nisi potus scurra Cratinus;
sunt mihi fata eadem: Pierides madeant!


Mox Melitam multo mala murmure maltha migrabit.

Iuppiter est, quodcumque vides, quodcumque moveris.
Sortilegis egeant dubii semperque futuris
Casibus ancipites: me non oracula certum,
Sed mors certa facit. Pavido fortique cadendum est:
Hoc satis est dixisse Iovem.
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Re: Erichtho bei Lucan

Beitragvon Prudentius » Do 20. Mär 2014, 17:04

Uns fällt dabei das Stilmittel Personifikation auf, aber vllt. muss man bedenken, Wut, Schrecken, Todesangst sind Abstraktbegriffe, Verbalsubstantive, und die Antike kannte diese Unterscheidungen noch nicht so deutlich, und so stellte man sich die Abstrakta konkret vor; das Satzschema verleitet uns ja dazu: "Der Herr treibt ihn an" ~ "Wut treibt ihn an". Es ist also ein Agens als Subjekt gefordert.

Die Antike hatte auch ein anderes Kausalverständnis als wir; sie verlangte für jede Bewegung einen Beweger; so hatte die Welt einen "ersten Beweger", und die Planeten tragen Götternamen, da ja die "Irrsterne" gesteuert sein mussten. Und so war bei einem Wutausbruch Furia zur Stelle.
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Re: Erichtho bei Lucan

Beitragvon Medicus domesticus » So 23. Mär 2014, 10:27

Hallo SursumDeorsum,
Vielleicht hat deine UniBib diesen Kommentar:
Martin Korenjak,
Die Ericthoszene in Lukans Pharsalia: Einleitung, Text, Übersetzung, Kommentar
Frankfurt a.M. 1996 (Verlag Peter Lang, Studien zur Klassischen Philologie 101).

http://tinyurl.com/owhu6gv
Könnte interessant für dich sein.
:book:
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Re: Erichtho bei Lucan

Beitragvon SursumDeorsum » So 23. Mär 2014, 15:59

Danke, Medice!

Diese Empfehlung ist sogar sehr interessant! :-D
Pangere non potuit nisi potus scurra Cratinus;
sunt mihi fata eadem: Pierides madeant!


Mox Melitam multo mala murmure maltha migrabit.

Iuppiter est, quodcumque vides, quodcumque moveris.
Sortilegis egeant dubii semperque futuris
Casibus ancipites: me non oracula certum,
Sed mors certa facit. Pavido fortique cadendum est:
Hoc satis est dixisse Iovem.
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