Ansehen der Person

Beiträge zu Themen, die in keine andere Kategorie passen

Moderatoren: Zythophilus, marcus03, Tiberis, ille ego qui, consus, e-latein: Team

Ansehen der Person

Beitragvon sinemetu » Mi 14. Okt 2020, 06:16

Petrus sprach: Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht; sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und Recht tut, der ist ihm angenehm. Apg. 10,34-35

Ist das nicht falsch übersetzt? Er meint doch: Gott sieht nicht drauf, aus welchem Volk jemand kommt (hier Jude oder Grieche), sondern er sieht eben genau die Person an!

 34Ἀνοίξας δὲ Πέτρος τὸ στόμα εἶπεν· ἐπ’ ἀληθείας καταλαμβάνομαι ὅτι οὐκ ἔστιν προσωπολήμπτης ὁ θεός, 35 ἀλλ’ ἐν παντὶ ἔθνει ὁ φοβούμενος αὐτὸν καὶ ἐργαζόμενος δικαιοσύνην δεκτὸς αὐτῷ ἐστιν.
Zuletzt geändert von sinemetu am Mi 14. Okt 2020, 07:52, insgesamt 1-mal geändert.
Quaestor sum, quaerere quaerique possum ...
sinemetu
Senator
 
Beiträge: 4476
Registriert: Mo 2. Apr 2012, 18:02

Re: Ansehen der Person

Beitragvon marcus03 » Mi 14. Okt 2020, 07:25

sinemetu hat geschrieben: προσωπολήμπτης

= auf die Person Rücksicht nehmend (Gemoll)
πρόσωπον + -λήπτης (< λαμβάνω)

Das Wort kommt nur im NT vor. Die Frage ist, was lambanein hier wörtl. bedeuten soll.
Er "nimmt sich nicht das Gesicht vor" um zu sehen, woher jemand kommt.

sinemetu hat geschrieben:Gott sieht nicht drauf, aus welchem Volk jemand kommt(hier Jude oder Grieche)

Ja, das denke ich auch.
Vlt. hatten Juden bestimmte Gesichtszüge. Oder es ist das gesamte Erscheinungsbild gemeint, an dem
man die Herkunft erkennen kann.
(Metonymie: Gesicht= Person nach Herkunft)
prosopon meint die äußere Person, Gott schaut auf die innere (Gesinnung).
Das Christentum hat bekanntlich eine Gesinnungsethik ("bonae voluntatis"), denn:
Denn aus dem Herzen kommen arge Gedanken: Mord, Ehebruch, Hurerei, Dieberei, falsche Zeugnisse, Lästerung.



vgl:
Hier ist kein Jude noch Grieche, hier ist kein Knecht noch Freier, hier ist kein Mann noch Weib; denn ihr seid allzumal einer in Christo Jesu. (Gal. 3)
marcus03
Pater patriae
 
Beiträge: 11584
Registriert: Mi 30. Mai 2012, 06:57

Re: Ansehen der Person

Beitragvon sinemetu » Mi 14. Okt 2020, 08:34

Ich denke, hier ist eine der Quellen der Menschenrechtsidee.
Quaestor sum, quaerere quaerique possum ...
sinemetu
Senator
 
Beiträge: 4476
Registriert: Mo 2. Apr 2012, 18:02

Re: Ansehen der Person

Beitragvon sinemetu » Mi 14. Okt 2020, 08:39

marcus03 hat geschrieben:
sinemetu hat geschrieben: προσωπολήμπτης

Gott schaut auf die innere (Gesinnung).

Ich würde zur Erklärung des Wortes nicht auf Theologoumena aus dem alten T. zurückgreifen. Das Wort "gesichtsgenommen" ist sprechend genug. Gott schaut auf die Person, das Gesicht, die Maske meint das Gegenteil dessen, was unser "schaut auf die Person" = befangen, voreingenommen meint, es meint genau das, warum Justitia eine Binde trägt.
Quaestor sum, quaerere quaerique possum ...
sinemetu
Senator
 
Beiträge: 4476
Registriert: Mo 2. Apr 2012, 18:02

Re: Ansehen der Person

Beitragvon marcus03 » Mi 14. Okt 2020, 09:09

sinemetu hat geschrieben:Das Wort "gesichtsgenommen" ist sprechend genug.

Was soll das bedeuten? :?

Im Gemoll lese ich unter prosopon:
NT: aüßere Gestalt, Aussehen, Oberfläche --> Es meint nicht den ganzen Menschen als Person.

sinemetu hat geschrieben: Gott schaut auf die Person, das Gesicht,

Der Begriff ist doch verneint.

Eingangs hast du geschrieben:
sondern er sieht eben genau die Person an!

Deine Argumentation verwirrt mich.

PS:
prosopon/person ist ein hochtheologischer Begriff in der Trinitätslehre, die so im NT noch nicht
entwickelt war. Daher ist genau du beachten, wann er wo in welchem Sinn verwendet wurde.
https://de.wikipedia.org/wiki/Person
marcus03
Pater patriae
 
Beiträge: 11584
Registriert: Mi 30. Mai 2012, 06:57

Re: Ansehen der Person

Beitragvon medicus » Mi 14. Okt 2020, 19:20

marcus03 hat geschrieben:Deine Argumentation verwirrt mich.

Ich hatte bis zur Abendstunde gehofft, hier eine Auflösung der Verwirrung zu lesen, nix is` :roll:
medicus
Augustus
 
Beiträge: 6623
Registriert: Do 9. Dez 2010, 11:39

Re: Ansehen der Person

Beitragvon sinemetu » Sa 17. Okt 2020, 17:04

Im Deutsche hat Gesicht auch 2 Bedeutungen, 1. engl. Face 2. Vision. Insofern kann gesichtsgenommen zwei Sinne haben.

1. Wie wann man im Deutschen sagt: "Hier geht es nach Nase." Das Gesicht als Ausweis von Verwandtschaft. Zu studieren und Dörfern hier oben in Meck-Pomm, "Wo der eine aussieht, wie der andre heißt."

Genau so soll es bei Gott und den Christen nicht sein. Das wäre die οὐκ-Version.

2. Das Gesicht ist Synonym zu Erkenntnis, denn das Kennen eines Menschen geht nur über das Gesicht. Wer des Menschen ganzes Gesicht kennt, kennt auch den ganzen Menschen. Gott als Ganzkenner trägt nicht die Binde der Justitia.
Quaestor sum, quaerere quaerique possum ...
sinemetu
Senator
 
Beiträge: 4476
Registriert: Mo 2. Apr 2012, 18:02

Re: Ansehen der Person

Beitragvon marcus03 » Sa 17. Okt 2020, 18:24

sinemetu hat geschrieben: gesichtsgenommen

Das ist kein korrektes dt. Wort. Anglizismus? (vgl. success-oriented)

sinemetu hat geschrieben:denn das Kennen eines Menschen geht nur über das Gesicht.

Nein, das Erkennen.
Kennen geht über Erfahrung.

sinemetu hat geschrieben: Wer des Menschen ganzes Gesicht kennt, kennt auch den ganzen Menschen.

Wörtlich stimmt das natürlich nicht, sondern, wenn man Gesicht im übetragenen Sinn versteht.
vgl. sein wahres Gesicht zeigen = sein wahres Wesen offenbaren

sinemetu hat geschrieben:Gott als Ganzkenner trägt nicht die Binde der Justitia.

Woher soll der Mensch das über Gott wissen? Dazu müsste er Gott ganz kennen, der
vlt. auch Seiten hat, die man ihm nicht zutraut. (Schelling)
https://www.projekt-gutenberg.org/feuer ... ap012.html
marcus03
Pater patriae
 
Beiträge: 11584
Registriert: Mi 30. Mai 2012, 06:57

Re: Ansehen der Person

Beitragvon sinemetu » Sa 17. Okt 2020, 19:02

marcus03 hat geschrieben:
sinemetu hat geschrieben: gesichtsgenommen

Das ist kein korrektes dt. Wort. Anglizismus? (vgl. success-oriented) es ist meine Übersetzung des griech. προσωπολήμπτης

marcus03 hat geschrieben:
sinemetu hat geschrieben:denn das Kennen eines Menschen geht nur über das Gesicht.

Nein, das Erkennen. Kennen geht über Erfahrung.
Hai ragione!

marcus03 hat geschrieben:
sinemetu hat geschrieben: Wer des Menschen ganzes Gesicht kennt, kennt auch den ganzen Menschen.

Wörtlich stimmt das natürlich nicht, sondern, wenn man Gesicht im übetragenen Sinn versteht.
vgl. sein wahres Gesicht zeigen = sein wahres Wesen offenbaren
- genau dahin dachte ich.

marcus03 hat geschrieben:
sinemetu hat geschrieben:Gott als Ganzkenner trägt nicht die Binde der Justitia.

Woher soll der Mensch das über Gott wissen? Dazu müsste er Gott ganz kennen, der
vlt. auch Seiten hat, die man ihm nicht zutraut. (Schelling)
https://www.projekt-gutenberg.org/feuer ... ap012.html

Vielen Dank für die Schelling-Stelle. Ja, das hat ihm ja niemand zugetraut und traut man ihm in den ersten beiden Sittenkomplexen bis heute nicht zu. Er kam zu uns! Er kam nicht mit Pauken und Trompeten! Eventuell ist auch der ganze christlich-apokalyptische prozionistische Offenbarungswust nur eine Reminiszenz der herbeigesehnten alttestamentlichen Pauken- und Trompetenwiderkehr Davids. Der Immer-Andere wird so nicht kommen!
Quaestor sum, quaerere quaerique possum ...
sinemetu
Senator
 
Beiträge: 4476
Registriert: Mo 2. Apr 2012, 18:02

Re: Ansehen der Person

Beitragvon marcus03 » Sa 17. Okt 2020, 19:31

sinemetu hat geschrieben:. Er kam zu uns!

Es trat ein Mensch auf namens Jesus, der sich von Gott gesandt fühlte und glaubte, in dessen Sinn
zu handeln.
Dass er selber Gott zu sein beansprucht hat, geht aus dem NT nicht hervor.
Johannes ist geballte, spekulative Theologie mit gnostischen Einflüssen.
Alles Weitere ist spätere Dogmatik, die dem historischen Jesus nicht gerecht wird aus heutiger Sicht.
Jesus hatte 30 Jahre Zeit über Gott und die Welt nachzudenken. Dabei kann er zu Einsichten
gekommen sein, die sein Auftreten erklären können.
Als guter Beobachter der conditio humana wurde ihm sicher
allmählich klar, woran die Welt krank bzw. diese krank macht.
Dann begann er an einer humanen Lösung zu arbeiten, für die die Zeit nicht reif war, legte sich
mit dem System an und ist prompt gescheitert - aus weltlicher Sicht.
Alles andere ist eine komplexe Glaubenssache.
Wie sagte Goethe:
Jesus fühlte rein und dachte
Nur den Einen Gott im Stillen;
Wer ihn selbst zum Gotte machte
kränkte seinen heil’gen Willen.
marcus03
Pater patriae
 
Beiträge: 11584
Registriert: Mi 30. Mai 2012, 06:57


Zurück zu Sonstige Diskussionen



Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste