regnum vs imperium

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regnum vs imperium

Beitragvon Brakbekl » Mo 29. Aug 2011, 14:23

Hallo,

die Worte sind ja beide alt. Frage: Warum hat regnum und rex eine religiöse Konnotation, imperium und imperator dagegen nicht? Und hatte Regnum und Rex einen "anti"demokratischen Impetus, wie wir ihn heute empfinden? Man sollte nicht vergessen, daß die stadtrömische "Demokratie" keine in unserem Sinne säkulare war und daß z. b. durch Aug. noch Menschenopfer dargebracht wurden, es sich mithin nicht um Spaß- und Wellnes-Religion handelte. "populi, non regum imperio regi"- Durch Befehl des Volkes, und nicht der Könige regiert werden .... Oder habe ich einen falschen Eindruck und die BEGRIFFE waren zumindest teilweise deckungsgleich und austauschbar.

Anhang: Wer hat als erstes die römische res publica mit dem griech. Worte Demokratie bezeichnet oder damit in einen Zusammenhang gebracht?
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Re: regnum vs imperium

Beitragvon linguator » Mo 29. Aug 2011, 20:21

Ich empfehle dir die Lektüre von Ciceros De re publica und insbesondere der Abhandlung über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Staatsformen, in denen das Kapitel Königsherrschaft ausführlich behandelt wird. http://www.gottwein.de/Lat/cic_rep/Cic_rep154.php

rex/regnum ist bei den Römern eben die Vokabel für "König"/"Königsherrschaft" (die religiöse Konnotation dürfte daher rühren, dass der ganze etruskische Kram, der in der römischen Kultur steckt, z.B. eben auch die ganzen Ämter und das alte Königsamt und ein guter Teil der Mystik, durch die Bank religiös ist), imperium ist die neutralere Vokabel für "Herrschaft(sgebiet)". Der Imperator ist vom Wortstamm her eher ein ebenfalls erstmal neutraler "Befehlshaber".

Die Römer dachten nicht in der Kategorie "demokratisch/undemokratisch". Mit Demokratie haben die Wahlen, die da abgehalten wurden, nur sehr wenig zu tun: die Stimmgewichtungen richten sich massiv nach Einkommensklassen und da darf längst nicht jeder überhaupt mitstimmen.

Die Römer hatten um 500 v.Chr. ihren letzten König rausgeworfen, der sich ein paar Schweinereien geleistet hat (vgl. Tarquinius Superbus), und seither den Königsbegriff (rex, regnum) als politisches Stigma benutzt (so wie man in Deutschland mit dem Nazi-Argument jede öffentliche Person diskreditieren kann) und lieber auf breitere Machtverteilung, v.a. durch das Annuitäts- und Kollegialitätsprinzip, gesetzt. Die religiösen Aufgaben gingen dabei auf verschiedene Ämter über, wobei der pontifex maximus einer Art "Nachfolgeamt" des rex im religiösen Bereich am nächsten kommen könnte. Bei den Römern v.a. der späten Republik war die Behauptung, dass jemand ein "regnum" anstrebe, eine Art politischer Mordversuch (und teilweise nicht nur ein politischer, vgl. Tiberius Gracchus). Deshalb haben sich die Principes von Anfang an nie als "rex" bezeichnet, sondern sich princeps, imperator, caesar, augustus usw. genannt.

Von belegten Menschenopfern, zumal in der augusteischen Zeit, ist mir noch nie was zu Ohren gekommen.
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Re: regnum vs imperium

Beitragvon Zythophilus » Mo 29. Aug 2011, 21:00

Dass in der römischen Frühzeit sakrale und weltliche Macht nicht getrennt wurden, sollte nicht verwundern. Der Titel rex ist jedenfalls, wenn es um Rom geht, meist im Sinne von "Tyrann" zu verstehen, für andere Völker und deren Herrscher gilt das nicht. Auch in Rom gibt's noch immer mit dem rex sacrificulus einen rex, der die sakralen Funktionen der alten Könige weiterführt, aber im Laufe der Zeit an Bedeutung gegenüber dem Pontifex maximus verliert.
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Re: regnum vs imperium

Beitragvon Domingo » Di 30. Aug 2011, 01:54

linguator hat geschrieben:Ich empfehle dir die Lektüre von Ciceros De re publica und insbesondere der Abhandlung über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Staatsformen, in denen das Kapitel Königsherrschaft ausführlich behandelt wird. http://www.gottwein.de/Lat/cic_rep/Cic_rep154.php


Oder Du koenntest Dir auch Benveniste, Vocabulaire des institutions Indoeuropeennes zu Gemuete fuehren. Da gibt es nach meiner Erinnerung ein langes Kapitel ueber das Koenigtum und dessen sakrale Bedeutung.
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Re: regnum vs imperium

Beitragvon Prudentius » Di 30. Aug 2011, 10:21

Hallo,

imperium ist ein rein staatsrechtlicher Begriff, rex/basileus aber ist der "Stellvertreter Gottes", das menschliche Regime ist ein Abbild der olympischen Göttermonarchie mit Zeus als König.

Die stadtrömische politische Ordnung hatte gewisse demokratische Züge: die plebs hatte sich ihre Beteiligung an den Magistraten erkämpft und im Tribunenamt auch einen gewissen Machtfaktor in der Hand (das steht bei Livius, und das hat Karl Marx als guter Lateinschüler aufmerksam gelesen, daher kommt der "Klassenkampf" und das "Proletariat").

Die Demokratie im antiken Sinne war direkte Demokratie, während sie für uns "parlamentarische" oder repräsentative Demokratie bedeutet; es gab krasse Missbrauchsfälle der Demokratie, so konnte im Krieg das Wirken von Demagogen in den Volksversammlungen zu Massakern an der Zivilbevölkerung führen (beschrieben bei Thukydides, zum Peloponnesischen Krieg); und Sokrates wurde während der athenischen Demokratie zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Gruß P.
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Re: regnum vs imperium

Beitragvon Zythophilus » Di 30. Aug 2011, 11:04

In De re publica (bes. den ohnehin äußerst bekannten Abschnitten I 40ss.) äußert sich Cicero genau über die Staatsformen. Das, was er seiner Zeit mit dem griech. Begriff "Demokratie" gleichsetzte, wäre nach heutigen Maßstäben eine rein direkte Demokratie.
Ciceros Idealvorstellung ist eben ein genus rei publicae ... permixtum, mit Elementen der (dir.) Demokratie, der Aristokratie und der Monarchie, wie es die römische Republik zumindest teilweise vorsieht. Auch wenn wir diese Vorstellung einer gemischten Staatsform nicht haben, könnte man auch die verschiedenen Institutionen einer modernen repräsentativen Demokratie den drei Grundformen zuordnen.
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Re: regnum vs imperium

Beitragvon Brakbekl » Di 30. Aug 2011, 11:55

Hallo: Diskutanten, mir ging es bei dem Gegensatz von Rex und Imperator um die Frage von Religiosität und Säkularität, also, vorausgesetzt, man kann Religiosität messen, was ich theoretisch für möglich halte, etwa am Verhältnis der aufgrund rationaler Prämissen und Schlüsse gefällten Entscheidungen zu der Anzahl der aufgrund von Gefühlen und Stimmungen getroffenen Entschlüssen. Ist etwa der Imperator stärker einer Säkularität und säkularen Stimmung zuzuordnen, und der Rex mehr eine religiösen Grundstimmung. Oder seht ihr diese Gegebenheiten vollkommen unabhängig voneinander?

KurzThese: In der Zeit des Imperiums sind die Menschen indirekter und denken mehr, in der Königszeit sind sie direkter und weniger bedacht.
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Re: regnum vs imperium

Beitragvon Zythophilus » Di 30. Aug 2011, 12:59

Ganz ohne religiöse Konnotation ist auch ein Begriff wie imperator wohl nicht, aber das ist nicht ausschlaggebend. Nehmen wir den Begriff rex, der ja bekanntlich mit regere zusammenhängt: Als es in Rom noch Herrscher gab, die diesen Titel führten, war der rex auch mit einer großen religiösen Kompetenz ausgestattet, was aber nichts mit der Wortbedeutung dieses Titels zu tun hat. Aufgrund der Grausamkeiten wurden die Römer diese Könige relativ früh in ihrer Geschichte los, was zur Folge hatte, dass rex abgsehen von einem Sakralamt in Rom einen sehr negativen Beigeschmack hatte.
Der Begriff imperator ist ein der Republik auf den militärischen Befehlshaber eingeschränkt und wird auch als Ehrentitel für einen erfolgreichen Feldherren verwendet. Vor der Kaiserzeit ist daher nicht sinnvoll, imperator mit rex zu parallelisieren, da imperator da nicht als "Herrscher" zu verstehen und an diesem Titel natürlich auch keine religiöse Funktion festgemacht ist.
In der Kaiserzeit greift man bewusst nicht auf das verhandene Wort rex zurück, sondern nimmt princeps, das ohnedies zur Kaisertitulatur gehörende imperator, später Augustus und Caesar. imperator braucht keine direkte religiöse Konnotation zu haben, da ja der Kaiser ohnedies auch das Amt des Pontifex maximus bekleidet und somit die religiöse Kompetenz an der Person, aber nicht am Titel imperator festgemacht wird.
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Re: regnum vs imperium

Beitragvon Brakbekl » Di 30. Aug 2011, 14:13

Ich versuche damit auch die Begriffe "religiös" und "areligiös=saekular" außerhalb des Christentums zu denken, weil ich mir sicher bin, daß es diese geistigen, bzw. mentalen "Großwetterlagen" auch auf dem Hintergrund der anderen Kulturen gibt, bzw. gegeben hat. Ich habe hier nur beispielsweise nach den beiden Begriffen gefragt. Ich nehme an, daß Tyrann, ähnlich dem rex nicht ab ovo negativ konnotiert war. Mich dünkt auch, daß "religiöse Aufladung" eines Begriffes die Zeit mit sich bringt, also nicht ursprünglich ist. Sicherlich klang der Titel Imperator den hochmittelalterlichen Byzantinern anders in den Ohren, als den kaiserzeitlichen Römern. Alle Kultur ist Erinnerung. Eine Sache pflegen, heißt sie rituell zu wiederholen. religione sublata fides quoque tollitur heißt ja, die Treue zu einer Institution aufgehoben, erübrigt auch die Pflege der in dieser Institution betreuten Sache. Säkularität ist somit ein Befreiungsschlag des Menschen gegen überkommene Kultur, also eine Kulturrevolution.
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Re: regnum vs imperium

Beitragvon Zythophilus » Mi 31. Aug 2011, 10:59

Für tyrannus reicht ein einfacher Blick in ein Wörterbuch, dass dieser Begriff im Lateinischen nicht immer mit dem deutschen Fremdwort gleichbedeutend ist.
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