Gegenwart und Zukunft unseres Bildungswesens

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Gegenwart und Zukunft unseres Bildungswesens

Beitragvon Clemens » Di 23. Nov 2010, 14:31

Im Anschluss an das Thema Elsbeth und Latein möchte ich hier ein verwandtes, gewissermaßen übergeordnetes Thema diskutieren.

Zurzeit tobt in Österreich ein erbittert geführter Streit um die Universitäten und Schulen.

Die Universitäten sehen immer höhere Studentenzahlen, sind aber chronisch unterfinanziert. Das Resultat sind Massenfächer mit schlechtem Betreuungsverhältnis und aus Raumnot auf dem Boden sitztenden Studenten, die jedes Semester erneut um begehrte Seminarplätze kämpfen. Das betrifft die beliebten Fächer BWL, Psychologie, Publizistik, Jura und Medizin. Zudem fallen die österreichischen Universitäten auf den heute so beliebten Uni-Ranglisten immer weiter zurück, was auch einzelne Institute, die Wissenschaftler und Studenten aus aller Welt anziehen, nicht mehr verhindern können.
Man ist sich auch weitgehend einig, dass es nicht so weitergehen kann, aber abgesehen von dieser elementaren Einsicht herrscht große Uneinigkeit, was passieren soll.
Die einen wollen den freien Unizugang für alle mit allen Mitteln erhalten, die andere wollen Zugangsbeschränkungen einführen und so die Zahl der Studenten begrenzen. Genauso wird über die Einführung von Studiengebühren gestritten.

An den Schulen bietet sich ein ähnliches Bild. Die Schüler haben in den letzten Jahren bei den PISA-Tests bestenfalls mittelmäßig abgeschnitten und es ist keine Besserung in Sicht. Nun ist ein ideologischer Streit um die Einführung einer neuen Mittelschule für alle Zehn - bis Vierzehnjährigen entbrannt.

Ich möchte euch nun fragen, wie man das Bildungswesen des 21. Jahrhunderts einrichten müsste, um der heutigen Gesellschaft Rechnung zu tragen und die Jugend bestmöglich zu bilden und auszubilden.
Welche Bildungsidee soll man zugrunde legen? Kann das Humboldtsche Ideal heute noch funktionieren? Wer soll in den Genuss von Bildung kommen, wer nur eine Ausbildung bekommen? Wie bilden wir die nötigen Fachkräfte, von Lebensmittelchemikern bis zu Bauingenieuren aus?
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Re: Gegenwart und Zukunft unseres Bildungswesens

Beitragvon Laptop » Di 23. Nov 2010, 14:41

In der derzeitigen politischen Situation werden Gebühren ganz gleich wie auch eine Zugangsbeschränkung nicht ohne großen Unmut hervorzurufen umsetzbar sein. Ich kann mir nicht vorstellen, daß dieser Weg gangbar ist. Auf der anderen Seite sind die Kosten durch die steigende Besucherzahl nicht mehr zu erbringen. Was zu tun ist liegt auf der Hand: die Universtitäten werden in den virtuallen Raum verlegt. Denn in virtuellen Räumen gibt es keinen Platzmangel. Auch der Dialog ist in virtueller Kommunikation effizienter. Ich warte noch, wie lange man braucht, um darauf zu kommen.
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Re: Gegenwart und Zukunft unseres Bildungswesens

Beitragvon philistion » Di 23. Nov 2010, 18:18

Das ist schon eine gute Idee, vor allem Vorlesungen könnte man zu einem großen Teil per Stream übertragen, bzw. direkt auf Video aufzeichnen.
Dafür müsste es dann aber um so mehr Übungen und Seminare geben, damit es nicht nur ein stumpfes vor dem Computer sitzen bleibt.

In Österreich ist ein großes Problem auch, dass der Staat - im Verhältnis dazu wie viel Geld beim einzelnen Studenten oder Schüler ankommt - sehr schlecht wirtschaftet. (Föderalismus, Korruption [österr. Freunderlwirtschaft] in den einzelnen Landesinstitutionen) Es fließt gar nicht so wenig Geld ins Bildungssystem, erreicht aber die eigentlichen Empfänger nur marginal.
Es muss endlich eine Verwaltungsreform und eine Bildungsreform her, mit welchen einerseits festgefahrene Verwaltungsstrukturen (auch im universitären Bereich) neu gebildet werden müssen, damit effektiver investiert und damit auch mehr Finanzen für nicht so begehrte Institute und endlich genug Raum für die Massenfächer zur Verfügung steht.

Studiengebühren empfinde ich hier als einen Tropfen auf den heißen Stein, nebenbei kurble ich damit noch den Effekt an, dass die Geringverdiener und sozial Schwachen keinen Zugang mehr zu höherer Bildung haben.
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Re: Gegenwart und Zukunft unseres Bildungswesens

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 27. Nov 2010, 12:22

Das ist ein Thema, das auch bei uns in Bayern häufig diskutiert wird. Ich hatte noch das Glück ohne Studiengebühren Medizin studieren zu dürfen, die ja heute über 500€ pro Semester betragen.
Aber nun zum Problem: Die Ausgaben des Staates für die Bildung werden einfach nicht höher, das ist aber nur eine Seite des Problems. Neue Medien, Internet usw. einzubeziehen, wie schon angesprochen, ist sicher ein möglicher Teil der Lösung. Allein an diesem Forum sieht man, wie man antikes und philologisches Wissen der verschiedenen Leute bündeln und konzentrieren kann, das wäre ein riesen Vorteil für Studenten. Ein weiteres Problem ist auch, dass für nicht wenige Professoren die Lehre nur ein lästiges Anhängsel ist. Nicht wenige Professoren oder auch PD´s sind einfach auch nicht dafür geeignet. (Ich spreche aus eigener Erfahrung :wink: ).
Man müsste auch den Stil der Universität anpassen. Wir haben nicht mehr die alten Zeiten. Vorlesungen mit einer riesen Zahl von Studenten kann man sich oft eigentlich sparen, da sie sehr wenig zum Lernerfolg beitragen. Lieber kleine Gruppen, Entrümpelung des Lehrstoffes, was leider in der zunehmenden Verschulung des BA/Master nicht einfach ist. Außerdem sollten die Lehre gestärkt werden im Ansehen und auch die Lehrkörper der Universität speziell als Lehrkräfte ausgebildet werden.
usw. usw...
Das kostet natürlich alles Geld....und da werden wir sehen, ob das dem Staat etwas wert ist. Eine weitere deutliche Zulassungsbeschränkung wird leider kommen müssen, da der Ansturm einfach zu groß ist. (Ich sehe das auch in der uns nahen Stadt Salzburg, wo der Anteil der deutschen Studenten an der Universität immer größer wird.)

Übrigens: Viele Grüße nach Salzburg, Clemens! :-D
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Re: Gegenwart und Zukunft unseres Bildungswesens

Beitragvon Laptop » Sa 27. Nov 2010, 13:44

Ich bin nicht per se gg. Studiengebühren, aber ich möchte zwei bedenkenswerte Punkte ansprechen:

Punkt 1: Junge Leute, die noch nicht Fuß gefaßt haben in unserer Gesellschaft (und mittellos sind) sollen dafür bezahlen, daß sie die Qualifikation erhalten Geld verdienen zu dürfen. Bitte mal kurz darüber nachzudenken. Kann das die Philosophie einer vertrauenswerten Gesellschaft sein?

Punkt 2: Gerade in unserer modernen Zeit, wo die Möglichkeiten für frei zugängliche Bildung stetig zunehmen dank Internet und neuen Medien, werden Gebühren eingeführt. Attestiert man sich da nicht selbst unfähig zu sein, Bildung frei aufzubereiten? Ich denke es ist ein Schritt zurück. Denn Geld kann man einsparen, wenn man nur will.

Es kann immer so weiter gehen, keine Frage. Dann werden aber sekunäre und tertiäre Bildungsabschlüsse, die mit den universitären konkurrieren, zunehmen. Sozusagen Staatsangebot gg. Angebote des freien Marktes. Und dann werden Universitäten langsam aber sicher zur orthdoxen Kirche des Bildungswesen und an Bedeutung verlieren. Ich denke das ist unvermeidbar, wenn man alte Strukturen nicht renoviert.
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Re: Gegenwart und Zukunft unseres Bildungswesens

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 27. Nov 2010, 13:55

Ja, der antiquierte Universitätsstil muß dringend renoviert werden. Wir brauchen auch wieder eine Dezentralisierung: Im Vorrang stehen nicht nur "große Universitätsstädte" , sondern viele Bildungseinrichtungen, die untereinander konkurrieren im Sinne der Qualität.....und dann haben auch Gebühren seinen Sinn, da sie wirklich für die Verbesserung der Lehre verwendet werden.
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Re: Gegenwart und Zukunft unseres Bildungswesens

Beitragvon philistion » Sa 27. Nov 2010, 15:17

Dezentralisierung? Gerade was die Verwaltung und Organisation angeht, halte ich eine Zentralisierung für ungeheuer wichtig.

Bei der Gebührendiskussion kommt immer das Argument, dass jeder einen Beitrag leisten solle, was ich für ausgesprochen unverschämt halte, da der Beitrag nur für einen gewissen Teil der Bevölkerung kein existenziell gefährliches finanzielles Loch verursacht.
Es wäre ein großer Rückschritt, wieder zurück zur Situation dass Bildung nur von Gutbetuchten in Anspruch genommen werden kann.

In Österreich liegt dem ein ernstzunehmendes Problem zu Grunde: Der Föderalismus.
So viele Redundanzen wie wir uns mit unseren neun Mini-Bundesländern leisten, in denen mehrfach geforscht, untersucht, regiert und entschieden sowie unnötig Geld in veraltete Strukturen investiert wird, führen nur dazu dass zwar recht viel Geld aus dem Staatshaushalt aufgebraucht wird, sich aber nur wenig davon in den (Bildungs)Einrichtungen bemerkbar macht. Müßige, sich über Jahrzehnte hinziehende Streitereien über unterschiedliche Umsetzungen von Gesetze(svorlage)n setzen dem Ganzen dann noch die Krone auf.

Man kann diese Diskussion meines Erachtens nach immer wieder auf die selbe Forderung reduzieren: Wir brauchen tiefgreifende strukturelle Änderungen in der gesamten Verwaltung und im Aufbau der einzelnen Ressorts. Allen voran im Bildungswesens.
Aber da auf diese Weise einige Beamte ihren angenehmen (und eigentlich unkündigbaren) Job verlieren würden und diejenigen die darüber entscheiden natürlich auch Beamte sind, ist dies wohl sehr schwer umzusetzen.
Die Ausrede wird immer sein, dass man nur "kleine Anpassungen" machen muss. So wie der Staat im Wirtschaftssystem nur kleine Stellschrauben verändern will, nicht aber über großräumige Veränderungen nachdenkt.

Hier wird auf unsere Kosten ein Beamten und Verwaltungsapparat in neunfacher Ausführung aufrechterhalten der das Gros des Budgets für Bildung und andere Ressorts auffrisst und das einzige was der Regierung einfällt ist das Kindergeld zu streichen.. :x
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Re: Gegenwart und Zukunft unseres Bildungswesens

Beitragvon Laptop » Sa 27. Nov 2010, 16:06

Medicus domesticus hat geschrieben:Ja, der antiquierte Universitätsstil muß dringend renoviert werden. Wir brauchen auch wieder eine Dezentralisierung: Im Vorrang stehen nicht nur "große Universitätsstädte" , sondern viele Bildungseinrichtungen, die untereinander konkurrieren im Sinne der Qualität.....und dann haben auch Gebühren seinen Sinn, da sie wirklich für die Verbesserung der Lehre verwendet werden.


Einverstanden, aber das Argument Gebühren werden zwangsläufig zur Verbesserung der Lehre eingesetzt halte ich für nicht glaubwürdig. Es kann beliebig viel Geld falsch ausgegeben werden und solange wird sich die Lehre nicht verbessern. Da kann die Universität renoviert werden (im wörtlichen Sinne das Gebäude renoviert mit tollem Parkett oder was weiß ich was!) und das Bildungssystem bleibt im übertragenden Sinne weiterhin marode. Also Möglichkeiten sinnlos Geld auszugeben gibt es viele, und nur kluger Wille zu wirklicher Verbesserung ist es der die Lehre formt. Da kann man u.U. durch Verschlankung der Strukturen sogar mit weniger Geld(!) eine bessere Lehre erreichen, so man nur will.

Das ist doch eines der Lockargumente: wenn ihr uns Geld gebt, ja dann geben wir es nur in eurem Sinne aus, und nur für gute Sachen. Glaubt das nicht!
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Re: Gegenwart und Zukunft unseres Bildungswesens

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 27. Nov 2010, 19:37

Nein, das hast du falsch verstanden oder ich habe es nicht richtig ausgedrückt:
Jetzt werden die Studiengebühren nicht richtig zweckverwendet, da sie nur allgemein eingesammelt werden. Bildungseinrichtungen, die aber in der Qualität der Lehre untereinander konkurrieren habe ich gemeint. Und da können Studiengebühren wirklich etwas für die Lehre bewirken.
@philistion:
Mit Dezentralisierung meine ich nicht, dass die Universitätsstädte degradiert werden sollen, sondern sie müssen Aufgaben abgeben. Wir haben ja jetzt schon eine komplette Überlastung. In der Medizin gab und gibt es das schon, indem Lehrkrankenhäuser in der Peripherie Aufgaben, insbesondere bei PJ-Studenten übernehmen. Ich habe im PJ (die letzten 2 Semester des Medizinstudiums) in peripheren Lehrkrankenhäusern mehr gelernt als in Unikliniken.
Ganz wichtig ist m.E. auch die Stärkung des Praxisbezugs. Nicht nur in der Theorie lernen, sondern immer auch mit der Praxis reflektieren, das sollte gestärkt werden. Das gilt auch in den Geisteswissenschaften.
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Re: Gegenwart und Zukunft unseres Bildungswesens

Beitragvon Clemens » Di 30. Nov 2010, 16:02

Ein Grundproblem unseres Bildungssystems ist, dass es keinen Konsens mehr gibt, wozu es überhaupt da ist.

Ist die Hauptaufgabe unseres Bildsungssystems, der Schule und der Universität, nicht zweckorientierte Bildung oder eine auf einen speziellen Beruf hin gerichtete Ausbildung zu vermitteln?

Im Moment versucht man einen Spagat zwischen beidem und das Ergebnis ist nicht befriedigend.
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Re: Gegenwart und Zukunft unseres Bildungswesens

Beitragvon philistion » Di 30. Nov 2010, 19:04

Clemens hat geschrieben:Ein Grundproblem unseres Bildungssystems ist, dass es keinen Konsens mehr gibt, wozu es überhaupt da ist.

Ist die Hauptaufgabe unseres Bildsungssystems, der Schule und der Universität, nicht zweckorientierte Bildung oder eine auf einen speziellen Beruf hin gerichtete Ausbildung zu vermitteln?

Im Moment versucht man einen Spagat zwischen beidem und das Ergebnis ist nicht befriedigend.


Wo siehst du hier einen Spagat? Ich sehe hauptsächlich zweckorientierte Bildung berücksichtigt, vor allem seit der Bologna-Umstellung.

Wir müssen wohl erst einmal differenzieren: Bis zur Reifeprüfung sollte natürlich möglichst breitgefächert und allgemeinbildend unterrichtet werden, um eine Entscheidung nach Einblick in unterschiedlichste Disziplinen leichter treffen zu können.
Dabei müssten wir einen Bildungskanon diskutieren, welchem alle Schüler bis zur Reifeprüfung mit einem gewissen Maß an Wahlfreiheit unterliegen.

Dem gegenüber steht einerseits die Universität, mit der meiner Ansicht nach eine Bildung auch um der Bildung willen ermöglicht werden sollte, andererseits aber die Fachhochschulen, in welchen möglichst praxis- und berufsorientiert unterrichtet wird, um möglichst gut auf die Arbeitswelt vorzubereiten.

Ich glaube, dass aus diversen Gründen immer wieder versucht wird, die Bildung der Zweckmäßigkeit zu unterwerfen und dies geschieht meistens sehr kurzsichtig und scheint auch nicht zu Ende gedacht worden sein.
Kann man alle Disziplinen der Geisteswissenschaft dem "freien Markt" aussetzen und sie nur nach ihrem Kapitalertrag beurteilen?
Kann man nur auf diesen wirtschaftlichen Faktoren gestützt die Gelder verteilen und dementsprechend alles nicht praxisorientierte immer weiter verkümmern lassen?

Natürlich unterwirft man diese dann auch dem Zwang der Anpassung, was auf Dauer nur zu Schaden der Wissenschaften sein kann, wenn es nicht mehr oberstes Ziel ist, neue unerforschte Themen zu untersuchen, sondern möglichst viel Kapital einzubringen.
Wollen wir dies?
Es läuft wohl darauf hinaus, wenn der Staat sich immer mehr auf Sponsoring der Industrie und andere private Investoren zur Finanzierung der Universitäten verlässt..
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Re: Gegenwart und Zukunft unseres Bildungswesens

Beitragvon Clemens » Di 30. Nov 2010, 19:26

philistion hat geschrieben:Wo siehst du hier einen Spagat?

Ich denke vor allem an zwei Dinge:

Einerseits bilden die Universitäten den Großteil unserer Studenten aus, sowohl die, die später eine wissenschaftliche Laufbahn als Forscher auf diesem Gebiet einschlagen möchten, als auch jene, die nach dem Master oder PhD der Universität den Rücken kehren - zwei sehr unterschiedliche Ziele. Dennoch folgen beide Gruppen dem gleichen Studienplan, der an den Universitäten eher an der akademischen Karriere orientiert ist (im Gegensatz zu den Fachhochschulen).

Andererseits folgt man der Idee der Einheit von Forschung und Lehre, was bei den hohen Studentenzahlen in manchen Fächern zu absurden Betreuungsverhältnissen führt, wo man natürlich nicht annehmen kann, dass die Hundertschaften von Studenten an der Forschung des Professors teilhaben können.

philistion hat geschrieben:Dabei müssten wir einen Bildungskanon diskutieren, welchem alle Schüler bis zur Reifeprüfung mit einem gewissen Maß an Wahlfreiheit unterliegen.

Was wäre da dein Vorschlag?
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Re: Gegenwart und Zukunft unseres Bildungswesens

Beitragvon Euripides » Di 30. Nov 2010, 21:54

Einerseits bilden die Universitäten den Großteil unserer Studenten aus, sowohl die, die später eine wissenschaftliche Laufbahn als Forscher auf diesem Gebiet einschlagen möchten, als auch jene, die nach dem Master oder PhD der Universität den Rücken kehren - zwei sehr unterschiedliche Ziele. Dennoch folgen beide Gruppen dem gleichen Studienplan, der an den Universitäten eher an der akademischen Karriere orientiert ist (im Gegensatz zu den Fachhochschulen)


Gleich ein Beispiel:

Ein promovierter Chemiker (gutes Beispiel, da das fast alle Chemiker machen) möchte die Uni verlassen, wird aber trotzdem mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in der Forschung und Entwicklung eines Chemiekonzerns landen. Die Ausbildung kann keine Fachhochschule leisten!
Zumindest bei Naturwissenschaftlern sollte in der Ausbildung also keinesfalls irgendein Unterschied gemacht werden.


Das Problem ist letztlich, dass unsere Abschlüsse zu einfach sind . Das Abitur hat somit einen beängstigenden Bedeutungsverlust erfahren. Konnte man früher vor 30 Jahren noch mühelos mit einem 3er-Abi studieren, muss man heute mit diesem Schnitt schon um Ausbildungsplätze buhlen, die weit unter dem Niveau der Schulausbildung liegen.
Das muss geändert werden: rechtzeitige Selektion durch Zwischenprüfungen (und zwar solche, die mehr die Intelligenz und Motivation der Schüler testen) und harte Abschlussprüfungen.

Einer Gesellschaft nützt es auch nicht, um dem Argument zuvorzukommen, wenn möglichst viele eine hohe Ausbildung erhalten. Was nützen denn wohl hochausgebildete arbeitslose Geisteswissenschafter etc., wenn an anderer Stelle für nützliche Aufgaben das Personal fehlt, weil es nie ausgebildet wurde?
Zuletzt geändert von Euripides am Mi 13. Apr 2011, 22:01, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Gegenwart und Zukunft unseres Bildungswesens

Beitragvon Medicus domesticus » Di 30. Nov 2010, 22:03

Man kann dem Bildungsideal frönen....in der damaligen Zeit. Nur haben viele Studenten der Geisteswissenschaft auch das Problem: "ich muß ja auch Geld verdienen..." :wink: .Das heißt man muß heute Universität mit der Realität verbinden.....es kann ja nicht jeder in der Universität landen.
Ich möchte damit werben, dass Bildung und Ausbildung außerhalb und vielleicht auch innerhalb der Universität ;-) mehr mit der Realität zu tun hat. Man kann sogar Latein und Griechisch heute mehr mit der Realität verbinden, indem man diese auch sieht und diese für den Beruf offener lässt als nur für Universität und Lehrer....das wäre ein Vorschlag.
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Re: Gegenwart und Zukunft unseres Bildungswesens

Beitragvon Brakbekl » Mi 5. Jan 2011, 21:35

Hallo, ich weiß nicht, ob das Wort "Bildungswesen" noch dem gerecht wird, was da abläuft, bzw., ob es adaequat das Geschehen beschreibt.
fide et virtute famam quaere
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