Ursprung der -a-Suffixe im Bairischen (Mittelhochdt.)

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Ursprung der -a-Suffixe im Bairischen (Mittelhochdt.)

Beitragvon Laecasin » Do 23. Jul 2009, 17:00

Ich frage mich, ob es unter den Liebhaber alter Sprachen auch Leute gibt, die sich mit Mittelhochdeutsch auskennen bzw. Literaturtipps haben. Es geht um folgendes:

In einigen Dialekten Bayerns gibt es Infinitivformen, die auf –a enden: saffa (saufen), henga (hängen), mocha (machen) etc.
Im „Kleinen Bayerischen Sprachatlas“ von Werner König (dtv, 2006) fand ich dazu nur folgende Notiz (S. 29):

Nach bestimmten Konsonanten allerdings, wie den Nasalen und –ch- und –f-, liegt auch im Mittelbair. eine vokalische Infinitiv-Endung vor (z.B. schwimma, singa, måcha, laffa).


Ich wüsste nun gerne, wie dieses –a-Suffix zustande gekommen ist. Ist es lediglich eine Apokope von althochdeutschen Infinitiven, die auf –an endeten ? Oder sind vielleicht wie im Alemannischen zunächst Endungen auf –e entstanden (heutiges Alemannisch: säge, danze, blibe = sagen, tanzen, bleiben), die durch Senkung des Vokals zu –a wurden ?
Hat jemand in diesem Forum dazu eine Idee bzw. Literatur zum Thema ?
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Re: Ursprung der -a-Suffixe im Bairischen (Mittelhochdt.)

Beitragvon Laptop » Do 23. Jul 2009, 17:18

Wie stellst du dir das vor? Von 1100 bis 1300 wurde "singe" gesprochen, und danach dann "singa"?

Diese alles beherrschende Idee eine Ursprache und eines Lautwandels muß in Frage gestellt werden, denn nicht immer sind Varietäten spätere Ausprägungen einer Urform. Sprachen und Mundarten mit ihren Laut-Varietäten: abein, habere, i hob, ick hebb, usw. existieren gleichbereichtigt nebeneinander. Wo heute Differenzen sind, war usrprünglich womöglich _nichts_, nur ein Konsonantengerüst ohne klar definierte Vokale.

Warum kann der Usprung des bayrischen -a nicht -a sein?
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Re: Ursprung der -a-Suffixe im Bairischen (Mittelhochdt.)

Beitragvon Medicus domesticus » Do 23. Jul 2009, 17:26

Eine gute Quelle der bayerischen Mundart ist "der Schmeller - Bayerisches Wörterbuch". Da ich der bayerischen Sprache, quasi durch Geburt :) ,mächtig bin, habe ich schon lange keinen Blick mehr in dieses geworfen. Ich besitze einen Nachdruck vom Oldenbourg-Verlag in 4 Bänden...ist leider im Regal etwas vor sich hin verstaubt.. :wink: .Vielleicht sollte ich mich damit mal wieder beschäftigen, wenn Zeit ist.. :lol:
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Re: Ursprung der -a-Suffixe im Bairischen (Mittelhochdt.)

Beitragvon RM » Do 23. Jul 2009, 19:48

Gibt es an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften nicht ein bayerisches Wörterbuch-Projekt?
Siehe hier: http://www.bwb.badw.de/

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Re: Ursprung der -a-Suffixe im Bairischen (Mittelhochdt.)

Beitragvon Medicus domesticus » Do 23. Jul 2009, 19:53

@RM:
Ja, das gibt es...da hat mein Opa schon mitgearbeitet....aber die sind mit den Buchstaben noch nicht so weit ;-) Leider dauert das, wie so oft, sehr lange und ist sehr viel Arbeit...
Mein Uropa (Karl Aigner) hat ein kleines Buch über die Namen des Berchtesgadener Landes geschrieben und sich auch sehr mit der Mundart beschäftigt...[*] Da steht auf der ersten Seite noch: Sr.Kgl. Hoheit Kronprinz Rupprecht von Bayern, dem tatkräftigen Förderer heimatlicher Forschung ehrfurchtsvoll zugeeignet..
Schmeller ist älter und hat sich unheimlich eingesetzt....das ist erstaunlich..
[*]Karl Aigner, Die Namen im Berchtesgadenerland, Sonderdruck aus Heimat und Volkstum, 10.Jahrgang, Heft 9-32,Pössenbacher Verlagsanstalt Gebr.Siehel, München, Herzogspitalstr.19
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Re: Ursprung der -a-Suffixe im Bairischen (Mittelhochdt.)

Beitragvon RM » Do 23. Jul 2009, 21:58

Ja, leider wird die Bayerische Akademie der Wissenschaften mit ihren Großprojekten irgendwie nicht so richtig fertig ... :sleep:

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Re: Ursprung der -a-Suffixe im Bairischen (Mittelhochdt.)

Beitragvon Laecasin » Fr 24. Jul 2009, 17:13

@Laptop:
Es mag sein, dass meine ursprüngliche Frage zu sehr auf der Vorstellung eines einheitlichen Mittelhochdeutsch und Althochdeutsch beruhte. Das liegt wohl auch an dem Bild, das manche Grammatiken vermitteln.
Mich würde einfach interessieren, wie dieses -a-Suffix zustande gekommen ist. War das also wirklich schon immer da ? Oder sahen die Infinitivendungen im Bairischen Mittelhochdeutsch anders aus ?
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Re: Ursprung der -a-Suffixe im Bairischen (Mittelhochdt.)

Beitragvon Zythophilus » Fr 24. Jul 2009, 17:20

Nicht nur Infinitive, auch andere Formen, die in der Standardsprache auf -en enden, enden im Weißwurstwinkel auf -a. Man denke an "Oans, zwoa, gsuffa!"
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Re: Ursprung der -a-Suffixe im Bairischen (Mittelhochdt.)

Beitragvon Medicus domesticus » Fr 24. Jul 2009, 23:49

Zythophilus hat geschrieben:Nicht nur Infinitive, auch andere Formen, die in der Standardsprache auf -en enden, enden im Weißwurstwinkel auf -a. Man denke an "Oans, zwoa, gsuffa!"

:lol:
Ja, so ist das im Bayerischen...aber ich gebe Laecasin nur die Empfehlung sich den Schmeller anzuschauen...Er schreibt in Klammer oft ahd. und mhd. und viele Beispiele....allein das Wort "machen" hat mehrere Spalten... ;-)
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Re: Ursprung der -a-Suffixe im Bairischen (Mittelhochdt.)

Beitragvon Laecasin » Sa 25. Jul 2009, 15:47

Das mag stimmen, dass dem Wort „machen“ mehrere Spalten gewidmet sind, wie man in der (kostenlos zugänglichen) digitalisierten Version des Schmeller sehen kann. Allerdings wird auch dort nichts erwähnt über das –a-Suffix, lediglich:

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Die ahd. und mhd.-Endungen -ôn und -en sind die standardisierten Formen, es fragt sich aber, ob sie damit zwingend mit den bairischen Formen übereinstimmen müssen.
Es ist auch nicht klar, wozu die Attestation „Kan ich gemachen“ dient. Früheste Bezeugung des Verbs im Bairischen ? Im deutschen Sprachraum überhaupt ?
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Re: Ursprung der -a-Suffixe im Bairischen (Mittelhochdt.)

Beitragvon Zythophilus » Sa 25. Jul 2009, 16:39

SALVE
"Han" nicht "Kan". "gemachen" ist, vermute ich, eine nur des Reimes mit "lachen" wegen gebildete Form.
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Re: Ursprung der -a-Suffixe im Bairischen (Mittelhochdt.)

Beitragvon Laecasin » So 26. Jul 2009, 20:51

Zythophilus hat geschrieben:"gemachen" ist, vermute ich, eine nur des Reimes mit "lachen" wegen gebildete Form.


Genau das vermute ich eigentlich weniger, denn die Formen für "machen" und "lachen" enden auch im heutigen Mittelbairischen gleich (mocha, locha). Wenn man von deiner Hypothese ausgeht, müsste "lachen" sich erst später in einer Analogiebildung "machen" angepasst haben.
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Re: Ursprung der -a-Suffixe im Bairischen (Mittelhochdt.)

Beitragvon Zythophilus » So 26. Jul 2009, 23:25

Im konkreten Beispiel wird das Partizip "gemachen" mit dem Inf. "lachen" gereimt. http://books.google.at/books?id=GKiQcxjeBaQC&pg=PA90&lpg=PA90&dq=%22han+ich+gemachen%22&source=bl&ots=te49bGMaC9&sig=MysvueJ_3DCEPYtXOAjzJHJCMfo&hl=de&ei=jchsSrLSJ5Kc_Abyrf2uCw&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=3
Es sagt also nichts über die Formen von des Verbs "lachen", denn der Inf. ist ja nicht außergewöhnlich und wohl nicht wegen des Partizips "gemachen" gebildet.
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