Was du über die Schwerfälligkeit des Deutschen sagst, o optime Mercuri, kann ich nachvollziehen, aber den Grund sehe ich eher in den fehlenden Gerundiv- und Partizipialkonstruktionen, die uns zwingen, für jede Kleinigkeit ganze Nebensätze zu bilden. Andererseits habe ich, und auch gerade von Ausländern, einige sehr positive Meinungen über die deutsche Sprache gehört, dass sie anschaulicher, teilweise auch poetischer sei als andere gerade wegen ihrer Kompositionsfähigkeit. Ich verzweifle jedes Mal, wenn ich in einer beliebigen Frendsprache sagen will, dass ich einen Ohrwurm habe - so ein schönes Wort gibt es einfach nur im Deutschen! -, ein italienischer Freund mag das Wort "Seelenarzt", wegen des schönen Bildes, ein spanischer Bekannter war ganz begeistert von der "Apfelschorle", weil er auf Spanisch einen ganzen Satz bräuchte, um dasselbe auszudrücken. Ähnliche Beispiele gibt es hundertfach. (Wobei man natürlich nicht vergessen darf, dass natürlich jede Sprache ihre eingenen knappen Ausdrücke hat. Seit dem Erdbeben kenne ich einen neuen auf italienisch: i terremotati, die vom Erdbeben Geschädigten.) Ich persönlich nehme auch unsere Partikel "auch", "doch", "ja" etc. sowie den Konjunktiv I mit den damit verbundenen Möglichkeiten zur inneren Distanzierung zum Gesagten immer wieder als Stärken der deutschen Sprache wahr. Ein anderes Beispiel sind Wörter wie "sich etwas erarbeiten": nach dem EM-Finale habe ich einem Italiener, der sich an einem deutschen Zeitungsartikel versuchte, nur mit großer Mühe erklären können, was das Wort "erspielen" im Satz "Die spanische Mannschaft erspielte sich den Sieg" genau bedeutet.
Was die grammatikalischen Kategorien "richtig" und "falsch" betrifft, so weiß ich nicht, inwieweit der Duden dem linguistischen Ansatz folgt, der Sprache beschreiben und nicht vorschreiben will. Auf lange Sicht ist das richtig, und ich halte es für falsch, einen de facto antiquierten Sprachgebrauch vorzuschreiben. Sobald eine ausreichend große Menge an Sprechern einen Fehler macht, wird dieser durch den Gebrauch legitimiert, was aber nicht verbietet, weiterhin die etablierte Form zu benutzen, die ja in der Regel weiterhin als die bessere gilt. Andererseits kennt, wenn ich mich nicht irre, der Duden im Gegensatz zum sprichwörtlichen Berliner den Unterschied zwischen Akkusativ und Dativ.
Was die zweifelhaften Internetbelege anbetrifft, stimme ich dir allerdings zu.
Das Problem der leeren Worthülsen liegt m.E. eher darin, dass viele Fremdwörter zwar intelligent klingen, aber dem Deutschen doch eher unvertraut sind. Die Ähnlichkeit im Klang, die man im Deutschen empfindet, ist im Wesentlichen die, dass für uns alle Wörter, die auf -tion oder -ierung enden, irgendwie gleich klingen.
Procopi: Zur WM war in Göttingen die mexikanische Nationalmannschaft zu Gast. Zu Werbezwecken waren die Taxis mit den spanischen Übersetzungen von deutschen Fußballausdrücken wie "Blutgrätsche", "Lattenknaller" u.ä. beklebt; die Ergebnisse waren, vorsichtig ausgedrückt, nicht sehr überzeugend.
Valete.
P.S.: Eben entdeckt: "In quello stesso anno, il 1992, Andreotti era considerato uno dei candidati più papabili per la carica di presidente della Repubblica" (Quelle: Wikipedia.it, Giulio Andreotti). Das ist doch hübsch: papabile für die Präsidentschaft.
Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Sollte man ihn nicht unergründlich nennen?