"Hamburger Lektionen"

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"Hamburger Lektionen"

Beitragvon consus » Do 13. Sep 2007, 14:48

Am heutigen Abend wird in Düsseldorf in Form einer Vorpremiere der Film „Hamburger Lektionen“ von Romuald Karmakar vorgestellt. Der Filmemacher ist vielen von uns bekannt durch den Film „Das Himmler-Projekt“, für den er den Grimme-Preis erhielt.

Im dem Streifen „Hamburger Lektionen“ werden dem Publikum zwei ins Deutsche übersetzte Predigten aus einer Hamburger Moschee vorgestellt, welche mit dem Etikett „Hasspredigten“ versehen werden können. In einem Interview, das heute in der Rheinischen Post (S. C 4), veröffentlicht wurde, sagte Karmakar u.a.: „Diese Predigten wurden eineinhalb Jahre vor dem 11. September gehalten... Der Imam predigte aber schon damals ganz konkret, dass etwa das demokratische System abzulehnen sei, weil darin das Volk die Macht hat, nicht Gott.“ Dann etwas später mit Bezug zum Himmlerfilm: „Man kann ... entdecken, wie radikale Bewegungen sich strukturieren, wie sie Gewalt legitimieren, mit welchen rhetorischen Formeln sie arbeiten. Man kann hören, wie eine radikale Minderheit sich ermächtigt, über die Menschheit zu bestimmen, und sich als Avantgarde darstellt.“

Man kann nur wünschen, dass dieser Film wirklich dank mutiger Verleiher in die Kinos kommt und der Aufklärung dient. Sollte das nicht der Fall sein, hätte Henryk M. Broder wieder ein Beispiel für die in seinem Buch „Hurra, wir kapitulieren! Von der Politik des Einknickens“ vertretenen Thesen.

Zum Schluss eine Frage:
In diesen Tagen wird immer wieder beteuert, dass das Wort Islam „Frieden“*) bedeute. Da ich nicht Arabisch kann, vermag ich nicht zu sagen, ob das eine korrekte Übersetzung dieser Vokabel ist; denn im Islam-Lexikon von A. Th. Khoury, L. Hagemann, P. Heine (Freiburg, Basel, Wien 1991; Band 2, S. 386) lese ich: „Der Islam – das Wort bedeutet: Hingabe an Gott, Unterwerfung unter seinen Willen“. Das heißt vermutlich unbedingte Unterwerfung unter „Gottes“ Willen: für alle Menschen, die sich den Idealen der Aufklärung, also des Sapere aude!, verpflichtet fühlen, eine wahrlich absurde und menschenverachtende Vorstellung, der man nicht mit Toleranz begegnen darf, sondern der man entschieden mit den Waffen des Geistes entgegentreten muss.

Nach Dolf Sternberger ist Frieden das entscheidende Ziel aller Politik. Es geht dabei um die Lösung von Konflikten. Konflikte können – wenn ich mich recht an Sternbergers Aussagen erinnere - durch drei Arten von Frieden ausgeräumt werden:
1) durch den absolute Frieden in der Transzendenz, der erst im Jenseits erlangt werden kann (gemäß religiösen Vorstellungen eschatologischer Art; auf Erden gibt es keine endgültige Lösung; am Ende der Zeiten wird im „jüngsten Gericht“ die „böse“ Konfliktpartei vernichtet);
2) durch einen Unterwerfungsfrieden immanenter Art: Man unterwirft sich einer bestimmten diesseitigen Ideologie, die entgegenstehende Denkweisen nicht duldet sowie mit Gewalt und Terror vernichtet;
3) durch einen Kompromissfrieden: Die Konfliktparteien setzen sich zusammen und suchen mit Hilfe der Vernunft einen friedlichen modus vivendi.
Es leuchtet ein, dass für einen aufgeklärten Menschen nur die dritte Friedensvorstellung annehmbar ist.

----------------
*) Wie wir alle wissen, gab es schon einmal eine Ideologie, die sich sehr gerne der Vokabel „Frieden“ bediente und dieses Wort mitsamt der damit verbundenen Vorstellung missbrauchte.
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Re: "Hamburger Lektionen"

Beitragvon Mulan » Mi 25. Feb 2009, 01:20

Hi,
wohl ziemlich spät darauf stoßend, will ich folgendes anmerken. Das Wort Islam ist von gleicher Wortwürzel wie das Wort Salam: S-L-M (Sin-Lam-Mim). "Salima" ist die Grundform in Grestalt der 3. Person masc. sing. des Verbes, welches verschiedene Bedeutungen hat. Einige davon sind diese: "heil sein", "gerettet sein", "Frieden machen (stiften)", ... Und die vorsilbe "mu-" ist eine Person, die das tut: mu-slim. Islam ist daraus gebildet als Substantiv: "Rettung", "Heil", "Friedenmachen", ... Und auch Frieden machen mit sich und seinem Schöpfer, d.h. nach muslimischem Verständnis als Mensch erkennen, wem man seine Existenz zu verdanken hat. ... Das als unmenschlich zu bezeichnen zeugt von Intoleranz. Man mag die Dinge anders sehen. aber uns steht es nicht zu , einen Menschen, der sich nicht in eine menschliche Abhängigkeit begibt sondern sich in die Hand des Schöpfers begibt und das ganz frei, ohne Zwang und ohne daran an Wert als Mench zu verlieren und selbstbewusst - und weil er daran fest glaubt - was soll man ihm das dann verbieten und ihm auszureden trachten. Er hat halt eine andere Haltung zu seiner Existenz. Er glaubt fest an einen Schöpfer, dem er auf seine Weise danken will, indem er sich diesem voll anschließt, diesem folgt. Dazu hat er die Freiheit. Diese ihm abzusprechen halte ich für anmaßend. Eine andere Meinung haben darf aber jeder. Nur, zugestehen muss man das anderen auch können. Sonst wäre man der allerletzte, der anderen Intoleranz oder dergleichen vorwerfen könnte.

Jeder werde nach seiner Facon seelig, wie ungefähr Preußens Friedrich der II. sagte. Und der Satz ist einfach nur richtig.
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Re: "Hamburger Lektionen"

Beitragvon Willimox » Sa 7. Mär 2009, 19:22

Tja,

das scheint zumindest recht polysem zu sein, care mulan, wie du zurecht anmerkst.

Wo Ergebenheit in den Willen Gottes kombiniert ist mit der Auslegung, der Wille Gottes sei es, missionierend Überzeugungsarbeit zu leisten (Sure 2:218; Sure 16:225). Dann aber gelte es, denjenigen, der die Einladung nicht annimmt, zu unterwerfen (Sure 16:125) .....

Gar kein Zweifel: das Christentum versteht oder verstand sich in seinen eher radikalen Strömungen oft auch als gewaltberechtigt gegenüber denjenigen, die nicht des rechten Glaubens sind. Man kann das in Ansätzen auch bei unserer Kreuz-Gang erkennen.

Und es ist zumndest auch unter Imamen umstritten, ob denn nun alle Prinzipien bis hin zum verpflichtenden Kopftuchtragen aus der Scharia und dem vermuteten Gotteswillen abzuleiten sind. Aber die These gibt es und sie wird stark vertreten. Den Märtyrer-Strang (siehe Yusuf Qaradawi) lasse ich jetzt mal außen vor.
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Er (der Muslim, die Muslima, wm)glaubt fest an einen Schöpfer, dem er auf seine Weise danken will, indem er sich diesem voll anschließt, diesem folgt. Dazu hat er die Freiheit. Diese ihm abzusprechen halte ich für anmaßend. Eine andere Meinung haben darf aber jeder. Nur, zugestehen muss man das anderen auch können. Sonst wäre man der allerletzte, der anderen Intoleranz oder dergleichen vorwerfen könnte.


Toleranz als eindeutige, als wahrscheinlichste Botschaft der Semantik von Islam? Mit dem Toleranzedikt des Preußenkönigs gut kompatibel? Weiß nicht.
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Re: "Hamburger Lektionen"

Beitragvon Willimox » Sa 7. Mär 2009, 20:14

Ach ja,
poetisches Zwischenschlusswort:

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 I shall be telling this with a sigh
Somewhere ages and ages hence:
Two roads diverged in a wood, and I —
I took the one less traveled by,
And that has made all the difference.

Robert Frost (1874-1963)
The Poetry of Robert Frost. Henry Holt and Company, New York 1979; S. 105


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Sag bloß du hast etwas gegen die blühende Erde,
den dunklen gut gelagerten Wein, der jung ist,
weil ihn noch keiner anbrach?

Abu Nuwas (*ca 757), in der Übersetzung von R. Schrott. Die Erfindung der Poesie, Frankfurt 1990; S. 277
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Aggressiv-rhetorische Lyrik I

Beitragvon Willimox » So 8. Mär 2009, 09:28

al-Qaida benutzt für diejenigen, die sich nicht ihrem Dschihad angeschlossen haben, den Begriff der „Sitzenden” oder „Unbeweglichen” (Qaaidun). Bin Laden spricht im folgenden Gedicht (er rezitiert es im März 2008) irakische Sunniten an und ihre laxe Haltung:

(1)
Oh achtlos Schläfriger, gib acht, denn schändlich ist es,
selbstzufrieden zu sitzen, wenn du angegriffen wirst.
Was ist eines Mannes Leben wert, wenn er versklavt wird
und sein Land beherrscht von Schurken und Kranken?
Unser Land ist mit den Heerlagern der Ungläubigen übersät,
jeder Tyrann mehrt sie, wie er will.
Am Tag, da du dem Heiligen Krieg die Unbeweglichkeit vorzogst,
wurden deine Stammesführer, und die, die (!) sie führen,
herabgesetzt und erniedrigt.

(2)
Wir sehen den Tod als Erlösung, da Banden von Ungläubigen und Juden in unseren arabischen Heiligtümern emporgestiegen sind.
Und das Heiligtum in Jerusalem wird von allen Seiten vergewaltigt. Oh Muslime, wo bleiben eure Versprechen und Drohungen, es zu schützen?
Eine Waise krümmt sich vor Hunger, während Riyals (saudi-arabische Währung, ww) und Geld wie Ozeane wallen.
Ketten der Tyrannen, wir sind eurer müde! Löwen werden nicht schlafen, während Knechtung herrscht.

(3)
Oh Söhne meiner Gemeinschaft, erhebt euch, greift an, macht die Wahrheit siegreich und vergießt Blut in Strömen.
Wenn unsere Religion angegriffen wird, ist jedes Opfer armselig, bieten wir es nicht mit dem Willen, unsre Leben zu opfern.
Ich lebe für meine Religion und ich opfere mich, und mein Blut facht die Laterne des Islam an.
Ohne Islam ist alles, was uns bleibt, ewige Demütigung, und nur wenn unsere Religion überall herrscht, können wir aufrecht gehen.

Sz 28. April 2008 ; S. 11

Aufgaben:

a)Versuchen Sie die drei Teile der lyrischen Rede mit jeweils einer Schlagzeile zu erfassen.

b)Skizzieren Sie, wie die lyrische Rede das lokale Leitmotiv „Jerusalem“/“Heiliges Land“ entfaltet.

c) Suchen Sie zwei ergiebige Details: Welche Bilder/Modelle stecken darin. Bitte graphisch visualisieren.
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lyrisch-rhetorische Aggression II: Urban II

Beitragvon Willimox » So 8. Mär 2009, 09:37

„Die Hunde sind ins Heiligtum gekommen
und das Allerheiligste ist entweiht ...“ (Urban II. 1095)


Bild
Kreuz-Ritter

Papst Urban II. hält am 27. November 1095 auf dem Konzil im französischen Clermont die nachfolgende Rede (gehalten wegen der Menschenmenge auf freiem Feld vor der Stadt, anders das Gemälde s.u.). Ein Musterbeispiel für theistische, fundamentalistische Rhetorik und Argumentation:

(1) Ihr wißt, geliebte Brüder, wie der Erlöser der Menschheit, als er uns zum Heile menschliche Gestalt angenommen hatte, das Land der Verheißung mit seiner Gegenwart verherrlichte und durch seine vielen Wunder und durch das Erlösungswerk, das er hier vollbrachte, noch besonders denkwürdig machte. (...)

(2.1) Die Wiege unseres Heils nun, das Vaterland des Herrn, das Mutterland der Religion, hat ein gottloses Volk in seiner Gewalt. Das gottlose Volk der Sarazenen (Araber, Mohammedaner) drückt die heiligen Orte, die von den Füßen des Herrn betreten worden sind, schon seit langer Zeit mit seiner Tyrannei und hält die Gläubigen in Knechtschaft und Unterwerfung.

(2.2) Die Hunde sind ins Heiligtum gekommen, und das Allerheiligste ist entweiht. Das Volk, das den wahren Gott verehrt, ist erniedrigt; das auserwählte Volk muß unwürdige Bedrückung leiden. Das königliche Priestertum muß als Sklave Ziegel brennen; die Fürstin der Länder, die Stadt Gottes, muß Tribut zahlen.

(2.3) Will einem nicht die Seele darüber zergehen, will einem nicht darüber das Herz zerfließen? Liebe Brüder, wer kann das mit trockenen Augen anhören? Der Tempel des Herrn, aus dem er in seinem Eifer die Käufer und Verkäufer hinausgetrieben hat, damit das Haus seines Vaters nicht eine Mördergrube werde, ist nun Sitz des Teufels geworden. Die Stadt des Königs aller Könige, die den andern die Gesetze des unverfälschten Glaubens gegeben hat, muß heidnischem Aberglauben dienstbar sein.

(2.4)Die Kirche zur heiligen Auferstehung, die Ruhestätte des Herrn, steht unter der Herrschaft derer, die an der Auferstehung keinen Teil haben, sondern als Stoppeln zur Erhaltung des ewigen höllischen Feuers werden dienen müssen.

(2.5)Die ehrwürdigen Orte sind in Schafkrippen und Viehställe verwandelt. Dem preiswürdigen Volke werden die Söhne entrissen und gezwungen, heidnischer Unreinheit dienstbar zu werden und den Namen des lebendigen Gottes zu verleugnen oder mit lasterhaftem Munde zu schmähen, und wenn sie sich den gottlosen Befehlen widersetzen, so werden sie wie das Vieh hingeschlachtet, Genossen der heiligen Märtyrer.

(2.6) Den Tempelshändlern gilt jeder Ort, jede Person gleichviel; sie morden die Priester im Heiligtum. Wehe uns, die wir in den Jammer der gefahrvollen Zeit versunken sind, von der der fromme König David, sie im Geiste voraussehend, klagend gesprochen hat: ,,Gott, es sind Heiden in dein Erbe gefallen; die haben deinen heiligen Tempel verunreinigt. Herr, wie lange wirst du zürnen und deinen Eifer wie Feuer brennen lassen?" (Ps. 79, 1-5. Ein Psalm Asaphs: Klage wider die Zerstörer Jerusalems) ,,Wehe uns, daß wir dazu geboren sind, unseres Volkes und der Heiligen Stadt Zerstörung sehen und dazu stille sitzen zu müssen und die Feinde ihren Mutwillen treiben zu lassen!" (1. Makk. 2,5-6).

Bild
Urban II in Clermont

(3.1) Bewaffnet euch mit dem Eifer Gottes, liebe Brüder, gürtet eure Schwerter an eure Seiten, rüstet euch und seid Söhne des Gewaltigen! Besser ist es, im Kampfe zu sterben, als unser Volk und die Heiligen leiden zu sehen. Wer einen Eifer hat für das Gesetz Gottes, der schließe sich uns an. Wir wollen unsern Brüdern helfen.

(3.2) Ziehet aus, und der Herr wird mit euch sein. Wendet die Waffen, mit denen ihr in sträflicher Weise Bruderblut vergießt, gegen die Feinde des christlichen Namens und Glaubens. Die Diebe, Räuber, Brandstifter und Mörder werden das Reich Gottes nicht besitzen; erkauft euch mit wohlgefälligem Gehorsam die Gnade Gottes, daß er euch eure Sünden, mit denen ihr seinen Zorn erweckt habt, um solch frommer Werke und der vereinigten Fürbitten der Heiligen willen schnell vergebe.

(4) Wir aber erlassen durch die Barmherzigkeit Gottes und gestützt auf die heiligen Apostel Petrus und Paulus allen gläubigen Christen, die gegen die Heiden die Waffen nehmen und sich der Last dieses Pilgerzuges unterziehen, alle die Strafen, welche die Kirche für ihre Sünden über sie verhängt hat. Und wenn einer dort in wahrer Buße fällt, so darf er fest glauben, daß ihm Vergebung seiner Sünden und die Frucht ewigen Lebens zuteil werden wird.

W i l h e l m v o n T y r u s, Historia rerum in partibus transmarinis gestarum, 1, 14 ff. Nach der Übersetzung von E. und R. Kausler als ,,Geschichte der Kreuzzüge und des Königreiches Jerusalem".

Man vergleiche auch zu dieser voraufklärerischen Rhetorik diese drei Links:

a) hier
b) und hier
c) Und das Heiligenlexikon

Anregungen für Ethologie- und Ethikinteressierte:

a)
Versuchen wirdie vier Teile der Rede mit jeweils einer Schlagzeile zu erfassen.

b)
Lässt sich skizzieren, wie die Rede das lokale Leitmotiv „Jerusalem“/“Heiliges Land“ entfaltet.
Zu beachten (s.unten): Zeitstrahl und Rolle des Heiligen Landes — Rolle des Westens, Rolle der Christen; Funktion des Jenseits

c)
Detailanalyse: Wählen wir zwei ergiebige Details der Rede. Untersuchen dann, welche Bilder, besser Scripte und Scenarios, darin abgerufen werden.

d)
Das ist Rhetorik fundamentalistischer Art. Ist das Rhetorik fundamentalistischer Art?
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Re: "Hamburger Lektionen"

Beitragvon Mulan » So 8. Mär 2009, 22:35

Hi,
ich habe die sehr interessanten Ausführungen gelesen. Jeoch zweifle ich schlicht daran, dass man Usama bin Ladin als gutes Beispiel nehmen sollte, da er nun einmal einer der schlimmsten Vertreter des politischen Islamismus ist in Gestlt der Salafiya/Wahhabiya, die alle anderen Muslime als Abweichler oder gar Abtrünnige betrachtet, der nicht seiner Diktion folgt. Und am schlimmsten natürlich gegen die Schia - für ihn sind diese schlict Ungläubige und müssen daher getötet werden. Das fatale bei besimmten Kreisen unter den Sunniten ist das im Mittelalter entworfene Dogma von "Dar al Islam" (Haus des Islam, also die islamische Welt) und "Dar al Harb" (Haus des Krieges, d.h. die nicht islamische Welt). In den Händen von Fanatikern ist dies Legitimation für etwas, nämlich die Ungläubigen permanent zu bekämpfen usw. Genau das predigen ja die Salafisten, auch Dschihadisten genannt. Die Schiiten z.B. kennen diese Art der Aufteilung der Welt nicht. Und auch eine Reihe sunnitischer Gelehrter folgen dieser Doktin nicht oder kaum. Einige hatten versucht, das Ganz etwas abzuschwächen, nämlich durch Einführung der 3. Kategorie "Dar al Ahd" (Haus des Vertrages. d.h. jene Länder der nicht islamischen Welt, die mit der islamischen vertraglich verbunden sind) ... Wie auch immer, Usama oder al-Qaida als Beleg für Militanz des Islam insgesamt zu bemühen - man hätte auch die Taliban nehmen können - ist nicht stichhaltig, da dieser Mann und diese Organisation extem denkt und estrem handelt, was dem Islam, wenn man mal den ganzen Quran betrachtet, ohne etwas wegzulassen, entgegensteht.

Was die beiden zitierten Verse betrifft, so ist es wohl eher eine Sache des Verstehen-Wollens. Man kann Verse einfach herausnehmen und dann interptretieren - und man bekommt ein bestimmtes Bild. Man kann aber auch dieselben Verse im Zusammenhang belassen - und es entsteh ein anderes Bild. Ich bin kein Gelehrter, aber die beiden Verse bezeichnen zum einen Ausnahmesituationen und zum andern die aufforderung zur Übermittlung der Botschaft. Besonders letzteres sagt nur aus, dass man einladen soll zum Islam - und zwar mittels Gespräch. Da steht nichts, dass man gezwungen wird usw. Man kann es annehmen - oder lassen. ansonsten stünde das Ganze nicht nur dem vielzitierten Quran-Wort entgegen, dass es keinen Zwang im Glauben geben darf (2:256). Und es gibt eine Reihe anderer Verse, die besagen, dass jede Art von Zwangsmissionierung nicht erlaubt ist. An anderen Stellen sagt Allah den Leuten, dass wenn Er es gewollt hätte, wären alle eine Gemeinde - aber Er wollte es anders (und ihnen sagt, dass es keinen Sinn macht, jemanden zu zwingen - siehe u.a. 10:99-100), indem die Menschen einander kennenlernen sollten und weitteifern usw. - und das ohne Gewalt. Auch 6:125 sprechen deutlich davon, dass s nicht dem Menschen obliegt, rechtzuleiten. ...

By the way: Abu Nuwas ist meines Wissens ein Pseudonym für jemanden, der den Islam hasst. Er benutzt den Namen eines vorislamischen Dichters. Seine Aussagen sollten nicht ohne diesen Hintergrund bewertet werden.

Ich mache einfach einen Unterschied zwischen den Menschen und der Religion als solche. Nicht der Islam ist gewalttätig von Natur aus sondern bestimmte Kreise unter den Muslimen. Dasselbe betrifft m.E. auch das Christentum. auch hier waren es Menschen, die die Lehre benutzt haben, missbraucht, um weltliche Ziele zu erreichen. Man wird sicher noch zahllose Beispiele "islamischer" und "christlicher " Gewalt benenen können - aber das ändert nichts and meiner Aussage. Und wie gesagt: Wir alle müssen vorsichtig sein mit der Interpretation von Versen aus Koran und Bibel - zu schnell neigt der Mensch dazu, eklektizistisch heranzugenen, damit es argumentativ passt.

Nachtrag: Der "Heilige Krieg" ist keine muslimische Erfindung, da der erste, welcher von ihm sprach, jener Papst Urban II. war: "bellum sanctum". Das wort Dschihad mit dieser Übersetzung zu versehehen ist falsch, irrig und würde bei Rückübersetzung "Harb al-muqaddas" oder ""harb qudsi" ... aber niemals "dschihad" ergeben. Das nur mal nebenbei, weil gerade dieser Begriff von vielen als "Beweis" genommen wird, die Aggressivität des Islam zu belegen. Kein Krieg ist heilig.

Bye!
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