von Roxane » Di 10. Jun 2014, 11:16
Huch, was ist das denn? Da hast ja schon weiter übersetzt und wohl auch wieder wie in einer Prüfung keine Hilfsmittel benutzt? Wer tut sich so etwas an? Ich kenne nur Leute, die von ihrem Examen gar nichts mehr wissen wollen oder sogar nach Jahrzehnten noch schlecht davon träumen.
Vielleicht hast du aber auch nur griechisches Blut in dir. Über die Athener nämlich lese ich, dass sie
"geschaffen sind, selbst keine Ruhe zu haben und immer frisch ans Werk gehen" (Thuk. irgendwo in Buch I).
Noch mal kurz zu 103.1: Worum es bei diesem wichtigen Stilmittel Inkonzinnität geht, habe ich verstanden und halte fest:
<Anders als in der attischen Prosa, in der nur gleichwertige Wortarten parallelisiert werden: also zwei
Adverbien, zwei Adjektive, zwei Substantive, zwei Verben, werden in der thukydideischen historischen Prosa zwei verschiedenwertige (!) Ausdrücke gleichgeordnet (Inkonzinnität).>
Nebenbei: Diese Stileigenheit, so lese ich, wurde gerne nachgeahmt. Eine solche Nachahmung, ist nicht immer bei allen auf Gegenliebe gestoßen. Ciceros kommentiert, dass das Ergebnis oft so aussähe, als sei es ohne Lehrer zustande gekommen.
Begründen kann man bei der Wiedergabe von ἀπὸ περιουσίας vieles, "aufgrund der Überlegenheit", "nach dem Überleben" und manches andere.
Die "herrschende Meinung" <im Wohlstand> überzeugt mich aber letztendlich. Allerdings geht es wohl nicht um private Gelder, sondern um Staatsgelder, die ja die Grundlage der Kriegsfinanzierung waren.
Die Athener wollen die Melier davon überzeugen, dass sie ihnen gegenüber chancenlos sind: Denn nur, wer über ausreichende Mittel verfügt, kann im Krieg erfolgreich sein (vgl. erste Periklesrede 1.141ff). Die finanziellen Ressourcen der Peloponnesier aber (und erst recht die der Melier) waren beschränkt.
[5.103.2] ὃ ὑμεῖς ἀσθενεῖς τε καὶ ἐπὶ ῥοπῆς μιᾶς ὄντες μὴ βούλεσθε παθεῖν μηδὲ ὁμοιωθῆναι
τοῖς πολλοῖς, οἷς παρὸν ἀνθρωπείως ἔτι σώιζεσθαι, ἐπειδὰν πιεζομένους αὐτοὺς ἐπιλίπωσιν αἱ φανεραὶ ἐλπίδες, ἐπὶ τὰς ἀφανεῖς καθίστανταιμαντικήν τε καὶ χρησμοὺς καὶ ὅσα τοιαῦτα μετ' ἐλπίδων λυμαίνεται.
Der Konj. Aor. (ἐπιλίπωσιν) ohne ἄν ist bei Thukydides nicht außergewöhnlich, so habe ich irgendwo gelesen. Den Imperativ hatte ich im Gegensatz zu Classen und zu dir nicht erkannt. Dein "Schicksal auf des Messers Schneide" passt wie die Faust aufs Auge. Statt "menschenwürdig" habe ich "von menschlicher Seite" gewählt, weil später im Text ἐκ τοῦ θείου folgt. Und wie stellt man die eine der anderen Hoffnung gegenüber? Du schreibst <deutlich - undurchsichtig> . Na gut, denn von sichtbarer oder unsichtbarer Hoffnung spricht man im dt. eigentlich nicht.
Das wäre meine Lösung gewesen:
Das wollt ihr (lieber) nicht erfahren (= kommt ihr lieber nicht auf die Idee, Classen), ihr Schwachen, die ihr sogar bei einem einzigen Anstoß (Schwache) seid, und es nicht den meisten gleich machen, denen es möglich wäre (τὸ παρόν, τὰ παρόντα, πάρεστι), von menschlicher (/irdische; im Gegensatz zu ἐκ τοῦ θείου) Seite noch gerettet zu werden, nachdem/ wenn die sichtbaren (/deutlich/ klar) Hoffnungen diese in Bedrängnis (/wenn sie bedrängt sind) verlassen haben, um (ἐτὶ) die unsichtbaren (dunkel = Hoffnungen ohne feste Grundlage) zu ergreifen, Wahrsagerei und Orakel und alles, was zusammen mit den Hoffnungen verdirbt.
Vielen Dank, Prudentius! Zum Schluss noch ein Tipp von mir: Fahrradrunden sollte man sich bei diesen tropischen Temperaturen ersparen, es sei denn, man fährt extrem schnell (das erzeugt nämlich viel kühlenden Gegenwind).
Roxane