Hallo Roxane,
was rufst du da für Geister herauf! Es ist nicht zu glauben, aber es sind jetzt genau 60 Jahre, dass ich das Studium angefangen habe. Ja, Weischedel war damals der führende Kopf bei den Philosophen, er war wirklich ein eigenständiger Denker, seine Vorlesungen im Auditorium Maximum waren sehr eindrucksvoll, habe ihn noch lebendig vor Augen. Die "Philosophische Hintertreppe" ist ein einzigartiges Buch, er konnte damit einen großen Leserkreis erreichen. Ich erinnere mich noch an das Kapitel über das vergebliche Ringen des Junggesellen Kant mit seiner Haushälterin. Das Hauptwerk von W. aber war sein Buch "Der Gott der Philosophen", er hatte aber damit kein rechtes Glück, für die Philosophen war es zu fromm, und für die Theologen war er zu skeptisch. Ich erinnere mich noch an etwas Lustiges, er war einmal bei der kath. Studentengemeinde zu einer Diskussion eingeladen, und die dortigen Theologen versuchten immer wieder, ihn auf ihre Seite herüberzukomplimentieren; da war er dann am Ende erbost, er war ja ein streitbarer liberaler Protestant.
Aber mehr als Weischedel hat mich dieser Gast Jean Bollack (s. unten; vllt. bist du mit dem Fr. vertraut?) beeindruckt, er war noch ganz jung, hatte gerade seinen Empedokles herausgebracht; er konnte aus dem Puzzle der vielen Einzelfragmente ein lebendiges Bild vom Denken dieses alten Weisen entwerfen. B. übte auf viele eine große Faszination aus, wir lernten eine ganz andere Art Philologie kennen, in Frankreich haben sie ja nicht eine so abgetrennte Sparte Altphilogie wie bei uns, da ist sie besser in die allgemeine Geisteswissenschaft integriert; B. war mit dem Dichter Paul Celan und dem Literaturtheoretiker Peter Szondi befreundet.
lgr. P.
______________________________________________________________________
http://www.nzz.ch/feuilleton/der-philol ... 1.17874223http://www.jeanbollack.fr/Zitat:
"De 1955 à 1958, il est professeur invité à l’Université Libre de Berlin dans le département de grec; il y professe en 1966, à l’Institut de Littérature générale et comparée un cours sur le pindarisme à l’invitation de Peter Szondi (après la mort de Szondi, il fut chargé de l’édition de ses cours et de ses inédits). Il dirige pendant les années 60 les quelque trente volumes de la collection d’histoire universelle des Editions Fischer."